Lokalsport MSV-Doku voller Tragik und Humor

Niederrhein · Der MSV-Dokumentarfilm "Meidericher Vizemeister" wurde im Filmforum vor geladenen Gästen vorgestellt.

Mit einem Blitzen in den Augen erzählt Johannes "Hennes" Sabath davon, wie er und sein Kumpel Hartmut "Hatta" Heidemann sich am roten Mercedes von Rudi Gutendorf – sagen wir einmal vornehm – erleichtert haben. Der Coach hatte sie zuvor im Training ziemlich gescheucht. Rache musste offenbar sein. Ein Lächeln umspielt die Mundwinkel des MSV-Kickers aus der Vizemeistermannschaft von 1964, als er berichtet, wie Hatta und er jede Beteiligung an dem Anschlag abgestritten haben. "Welches Auto?", so lautete die erstaunte Nachfrage bei der Aussprache mit dem MSV-Präsidenten. Da lachte der ganze Kinosaal während der Premiere des Dokumentarfilms "Meidericher Vizemeister".

Im Filmforum stellten die Autoren Matthias Knorr, Kristian Lütjens und Michael Wildberg diese Hommage an die Erfolgsmannschaft des ersten Bundesliga-Jahres den eingeladenen Gästen vor. Diese Interviewszene mit Hennes Sabath lässt auf sehr typische Weise erkennen, was den drei jungen Dokumentaristen mit den kurzweiligen zwei Stunden gelungen ist: Die Sympathie für die Kicker von damals zu wecken, sie als Menschen aus Meiderich hautnah und lebensecht vorzustellen. Man lacht ganz unwillkürlich mit ihnen und gewinnt einen Eindruck davon, wie es damals gewesen sein könnte: Vor 50 Jahren, als die Kicker aus dem Stadtteil verstärkt vom Boss Rahn und ein paar Spielern aus der Nachbarschaft mal eben die neue Liga dominierten. Die Filmemacher sowie die Vertreter der Erfolgsmannschaft erhielten nach der Vorstellung stehende Ovationen vom Publikum – ähnlich wie im Stadion, in dem der Stimmungsblock zu finden ist und Siege feiert.

Die Dokumentation erinnert an solche Siege wie das 3:0 gegen Schalke vor 44.000 Zuschauern im Wedau-Stadion. Sie zeigt das erste Bundesliga-Tor des MSV, geschossen beim 4:1 am 24. August 1968 im Karlsruher Wildpark. Unter den Augen von Bundestrainer Sepp Herberger traf Werner "Eia" Krämer in der 29. Minute. Der Film klärt auf, dass Uwe Seeler angeblich nie wirklich gefragt hat, wo Meiderich liegt. Denn der habe immer schon gewusst, dass es im Kohlenpott hart zu Sache gehe. Er habe höchstens mal gefragt, wie weit es noch bis Meiderich sei, berichtet Seeler vor der Kamera.

Dem Film geht es freilich um mehr als Ergebnisse und Anekdoten. Er erzählt unter anderem von Spielführer Günter Preuß, dem Riegel-Trainer Rudi Gutendorf, dem ungemein schlagfertigen Werner Lotz oder dem Elfmeterkönig "Lulu" Nolden.

Der Blick zurück auf den Quasi-Titelgewinn beschreibt den Fußball im Revier, die Anfänge nach dem Krieg, den Zusammenhalt der Spielerfrauen und ein Team, das tatsächlich aus elf Freunden (und mehr) bestanden hat. Die Aufnahmen zeichnen ein Bild des deutschen Fußballs, als er noch unverfälscht von Sponsoren und Fernsehgeldern war. Als er einfach nur ein Sport war, der Massen begeistern konnte.

Aufnahmen von der Platzanlage in Meiderich oder bei Lösort und dem Schwelgernstation, Blicke auf und über die Stadt schlagen die Brücke zur Gegenwart. Die Musik der Ska-Band Los Placebos taktet den Kontrapunkt. Ihr Rhythmus setzt aus, als Uwe Seeler den Nationalspieler "Eia" Krämer als einen "Weltklasse-Fußballer" und einen "Weltklasse-Menschen" beschreibt. Krämers Geschichte, von seinen beiden Söhnen vorgetragen, ist nicht ohne Tragik. Die drei Filmemacher zeigen auch dies mit der gleichen Sympathie und Sensibilität, wie es ihnen bei den brüllend komischen Schmankerln gelang. Das ist mal wirklich Duisburg. Die Vereinsprominenz angefangen von Bernard Dietz, dem Vorsitzenden Udo Kirmse oder Sportchef Ivo Grlic sah es bei der Uraufführung mit Freude.

Der Film wird ab Ende April für 20 Euro erhältlich sein – gut angelegtes Geld, nicht nur für Fans, sondern auch für Menschen mit Lust auf eine Zeitreise in die 1960er Jahre.

(RP)
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