Fußball "Der Ton wird leider immer aggressiver"

Dinslaken · Beleidigungen, Drohungen und körperliche Übergriffe: Für den Schiedsrichter-Obmann des Kreises ist das Maß längst voll.

 In fast jedem Spiel müssen Schiedsrichter unpopuläre Entscheidungen treffen. Kreis-Obmann Norbert Brunnstein macht sich für seine Kollegen stark und appelliert unermüdlich an die Fairness der Verantwortlichen.

In fast jedem Spiel müssen Schiedsrichter unpopuläre Entscheidungen treffen. Kreis-Obmann Norbert Brunnstein macht sich für seine Kollegen stark und appelliert unermüdlich an die Fairness der Verantwortlichen.

Foto: Markus van Offern

niederrhein Woche für Woche landet eine wahre Schimpfwort-Litanei auf dem Schreibtisch von Norbert Brunnstein. Der 65-jährige Emmericher ist Schiedsrichter-Obmann des Fußball-Kreises Rees-Bocholt. Montags liest er die Spielberichte, die seine Kollegen verfasst haben. Drohungen und Beleidigungen gegenüber den Unparteiischen sind mittlerweile an der Tagesordnung. Die Folge: Am Niederrhein droht ein eklatanter Schiedsrichter-Mangel, der erhebliche Auswirkungen auf den Spielbetrieb haben könnte.

Nennen Sie doch einmal einige Beispiele, was die Schiedsrichter sonntags zu Ohren bekommen.

Brunnstein Ich lese Ihnen mal einige Einträge vor. ,Schiedsrichter, du pfeifst scheiße und man sollte dir auf die Fresse hauen.' Oder: ,Alles, was du machst, ist ein Witz, du Flasche.' Der Ton wird immer aggressiver. Hier ein Beitrag, der fast schon komisch klingt: ,Ich musste das Spiel für 13 Minuten unterbrechen. Ein Spieler entriss mir die Pfeife und warf sie ins Gebüsch. Dort war sie zunächst nicht auffindbar.'

Wo liegt in Ihren Augen die Ursache für die zunehmende Aggressivität gegenüber Schiedsrichtern ?

Brunnstein Zum einen handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem. Gutes Benehmen ist heutzutage leider viel zu oft Glücksache. Dann setzen sich Trainer, Betreuer und Spieler vielfach zu sehr unter Erfolgszwang. Wenn dieser ausbleibt, muss ein Sündenbock gefunden werden. Erschwerend kommt noch hinzu, dass viele Trainer keine Ahnung haben und sich mit dem Regelwerk überhaupt nicht auskennen.

Wie kann das Problem gelöst werden ?

Brunnstein Man muss die Vereine wahrscheinlich dort treffen, wo es wehtut. Einige Verbände in den neuen Bundesländern verhängen Strafen gegen Vereine, die zu wenig Schiedsrichter stellen. Dort gibt's zum Beispiel Punktabzüge oder so genannte Nichtaufstiegsklauseln. Darüber wird man auch hier irgendwann nachdenken müssen.

Aber damit trifft man nicht die eigentlichen Übeltäter.

Brunnstein Das stimmt so nicht ganz. Zum einen müssen sich diese gegenüber der Spruchkammer verantworten. Zum anderen leidet der Amateurfußball, wenn's kaum noch Schiedsrichter gibt. In den Düsseldorfer Kreisligen müssen jetzt schon Begegnungen abgesagt werden, weil sie nicht mehr mit einem Unparteiischen besetzt werden können.

Auch im Kreis ist schon von einem Schiedsrichter-Mangel die Rede.

Brunnstein Zu Recht. Wir haben aktuell noch 190 Unparteiische. Das ist für unser großes Gebiet zu wenig. Früher haben sich viele ältere Spieler dazu entschlossen, ihre sportliche Laufbahn als Schiri fortzusetzen. Das gibt's nicht mehr. Die wissen schließlich, was auf den Plätzen los ist. Viele Jugendliche verlieren wegen der Anfeindungen schnell die Lust. Ich zitiere aus einem Brief, den mir eine junge Kollegin geschickt hat: ,Lieber Herr Brunnstein, ich höre auf, weil ich die Beleidigungen nicht mehr ertragen kann.'

Können Sie unter diesen Umständen junge Menschen überhaupt noch motivieren, zur Pfeife zu greifen ?

Brunnstein Es gibt noch gewisse Anreize. So können junge Schiedsrichter ihr Taschengeld etwas aufbessern. Zudem wirkt sich die Tätigkeit oft positiv auf die Entwicklung der Persönlichkeit aus. Das habe ich schon von vielen Seiten, etwa von Lehrherren, bestätigt bekommen.

Nun gibt's auch unter Schiedsrichtern schwarze Schafe. So behaupteten Spieler beider Teams nach dem Landesliga-Duell zwischen dem FC Kleve und dem RSV Praest , der Referee habe eine Alkoholfahne gehabt.

Brunnstein Falls das stimmen sollte, wird auch ein Schiedsrichter zur Rechenschaft gezogen und gesperrt.

das gespräch führte volker himmelberg

(RP)
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