Handball Bodenständigkeit ist nicht verloren gegangen

Dinslaken-Hiesfeld/Köln · Der ehemalige Hiesfelder Handballer Patrick Wiencek wurde mit Kiel Deutscher Meister und stand in Köln im Champions-League-Finale.

Mit seinen restlos enttäuschten Mannschaftskollegen stand Patrick Wiencek am Sonntagabend fast versteinert in der riesigen Lanxess-Arena und konnte nur noch zuschauen, wie sich die Spieler der SG Flensburg-Handewitt mit ihrem Trainer Ljubomir Vranjes und den Betreuern von den rund 20 000 Zuschauern feiern ließen. Nicht Wienceks THW Kiel gewann das Endspiel um die Champions League in Köln, sondern der krasse Außenseiter setzte sich bei dem "Final4" mit dem 30:28 die europäische Handballkrone auf und sorgte bei dem ehemaligen Spieler des TV Jahn Hiesfeld für Katerstimmung.

Nach dem Einzug in das Finale gegen den ungarischen Vertreter aus Veszprem am Samstag war der gebürtige Duisburger hingegen noch voller Zuversicht, dass der Pokal nach Kiel gehen würde. "Der Gewinn der Deutschen Meisterschaft vor einer Woche beflügelt einen natürlich zusätzlich. Und wenn man im Finale steht, dann merkt man auch keine Schmerzen mehr", sagte der 2,01-Meter-Hüne, der sich sogar noch die Flensburger als Endspielgegner wünschte und nicht den FC Barcelona, der von Spaniens Fußballstar Carles Puyol am Spielfeldrand angefeuert wurde: "Eigentlich muss man ja der deutschen Mannschaft die Daumen drücken und hoffen, dass sie weiterkommt."

Gegen die Ungarn im Halbfinale bot der inzwischen 25-Jährige eine gewohnt starke Leistung. Der Kreisläufer warf ohne einzigen Fehlversuch drei Tore und auch der absichtliche Ellbogencheck von Renato Sulic, der mit der Roten Karte bestraft wurde, haute Wiencek nicht um. Denn kurze Zeit später vollendete er selbst wieder einen Tempogegenstoß für seinen THW, bei dem er eine ungeheure Entwicklung nahm. Als er noch mit einem Zweitspielrecht im Jahr 2009 von TuSEM Essen für einige Partien in Hiesfeld geparkt wurde, war er längst nicht der Athlet von heute. Eine Ernährungsumstellung und viel Fleiß verwandelten den Koloss zu einem Kraftpaket, das den Sprung in die Nationalmannschaft schaffte - und dort ist er unverzichtbar geworden, wie es rund um das "Final4" bei den Fachleuten hieß.

Während sich der Körper veränderte und es auf der sportlichen Karriereleiter bergauf ging und noch weiter geht, ist der 25-Jährige bescheiden geblieben. Wenn es der Terminplan zulässt, dann schaut er in der Heimat vorbei und besucht auch einmal ein Kreisligaspiel seines Bruders Dennis beim TuS Hamborn-Neumühl. "Super freundlich" und "gar nicht abgehoben" hört man dann aus der Kabine über Wiencek. Burkhard Höffner, sein Trainer aus Hiesfelder Zeiten, erinnert sich gerne an die Arbeit mit ihm: "Weil er damals bei uns der Jüngste war, war er sich für nichts zu schade und hat auch mal die Trikots getragen. Er war einfach damals schon ein bodenständiger Typ, bei dem man sehen konnte, dass er eines Tages mal weit kommen würde. Das liegt vor allem an seinem Charakter und der Einstellung, immer alles zu geben. Aber dass es so schnell bei ihm ging, überrascht mich auch."

Die Finalniederlage konnte jedoch auch der Kreisläufer nicht verhindern, denn anders als gegen Veszprem erwischte er keinen guten Tag. Er handelte sich zwei frühe Zeitstrafen ein und traf bei drei Versuchen einmal. Flensburgs überragender Torwart Mattias Andersson stahl allen Kielern die Show, die beim Konfettiregen längst wortkarg in den Katakomben verschwunden waren. Die Enttäuschung war auch bei Wiencek viel zu groß.

(gaa)
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