Camilleri erinnert sich hier an Schlüsselerlebnisse seiner Kindheits- und Jugendjahre auf Sizilien in den 1930er und 1940er Jahren: an seine kindliche Begeisterung für den „Duce“ und den italienischen Faschismus, an sein politisches Erwachen und an die Befreiung Italiens durch amerikanische Panzer. Schon früh findet er im Kommunismus italienischer Spielart seine (lebenslange) politische Heimat und wird in den 1950er Jahren in Rom zu einem anerkannten Theaterregisseur.

In Rom lernt er nicht nur seine große Liebe (und spätere Ehefrau) Rosetta kennen, sondern fängt auch an Bücher zu schreiben, ab 1994 seine berühmt gewordenen Montalbano-Krimis.

Die ungewöhnlichen, locker geschriebenen, gut lesbaren und menschlich anrührenden Lebenserinnerungen des italienischen Schriftstellers sind aber auch ein überraschend politisches Buch, das den Faschismus in Italien ebenso klug analysiert wie den Zusammenbruch der 1. Republik 1994 und die fatale Ära Berlusconi. Camilleri sieht aber auch als leidenschaftlicher Europäer den gegenwärtigen Zerfall der EU, die verhängnisvolle US-amerikanische Politik unter Trump und die nach wie vor bestehenden mafiosen Strukturen im heutigen Italien.

Das schmale Buch mündet trotz aller negativen Erfahrungen in ein Plädoyer für Europa und für das Vertrauen in die Jugend als politischen Hoffnungsträger. Alleen Fans des Autors und Freunden Italiens sehr zur Lektüre empfohlen.

Andrea Camilleri: Brief an Matilda. Ein italienisches Leben, Kindler-Verlag, Hamburg 2019