Rheinberg Plötzlich ein Frauenchor

Rheinberg · Türchen Nummer 9 und 10*: Vom ehemaligen Männergesangsverein ist bei der Harmonie Rheinberg nicht mehr viel übrig: 24 Frauenstimmen singen heute lieber Helene Fischer statt christliche Kirchenlieder.

Rheinberg: Plötzlich ein Frauenchor
Foto: Julia Schüßler

Schon seit 1860 wird in Rheinberg unter dem Titel "Harmonie" gesungen. Was damals als reiner Männerchor mit dem "MGV Harmonie 1860 Rheinberg" begann, vereint heute in der "Harmonie Rheinberg" ausschließlich Frauenstimmen. Doch wie kam es zu diesem Wandel?

"Im Januar haben uns die letzten drei Männer freiwillig verlassen", sagt Christel Malorny, erste Vorsitzende der Harmonie Rheinberg. Der Grund dafür sei ganz simpel: "Die fühlten sich total fehl am Platz." Das aber vor allem stimmlich. Denn aufgrund der Vielzahl an weiblichen Klängen, ging ihre Stimme nahezu verloren. "Da hat schon einmal ein männlicher Bass ganz alleine gesungen", sagt Chorleiter Michael Wulf Schnieders, der als einziges männliches Mitglied übrig geblieben ist. Dadurch sei das Gemeinschaftsgefühl der Herren am Ende nicht mehr da gewesen und ein Austritt nachvollziehbar. "Männer singen doch lieber unter sich", sagt Malorny.

Und begonnen hat die heutige Harmonie Rheinberg am 25. Mai 1860 auch als reine Männerdomäne. Über 100 Jahre widmeten sie sich dem Kirchen- und deutschen Männergesang. Erst 1969 ließen sie auch Frauen an ihren Gesangskünsten teilhaben, da dadurch unter anderem eine größere Auswahl des Liedgutes möglich war. "Aber auch dann haben sie sich noch schwer getan die Frauen aufzunehmen", sagt Malorny. Das Problem war hier erneut musikalischer Natur: Die Sänger und auch Sängerinnen mussten sich erst an die neue Stimmaufteilung gewöhnen. "Die Männer mussten ihre hohen Melodien abgeben und die Frauen ihre tiefen", sagt Malorny.

Auch heute muss sich der frisch gebackene Frauenchor wieder umsortieren. "Das Fundament waren früher tiefe Männerstimmen, jetzt geht es auch bei den Frauen ganz schön weit runter", sagt Malorny. Alle Stimmen finden sich jetzt in einer anderen Klangfarbe wieder, beziehungsweise seien sie immer noch dabei sich richtig einzufinden.

Außerdem sorge die geringe Mitgliederanzahl von 24 Personen für Hindernisse. "Als ich vor 36 Jahren dazugestoßen bin, waren wir noch mit 60 Stimmen bestückt." Im Laufe der Jahre sei der Chor durch Alter, Todesfälle und Wegzüge immer kleiner geworden. Für Christel Malorny war hingegen der Umzug kein Grund, den Chor zu verlassen: "Seitdem ich 18 bin, war donnerstags immer Musik. Als ich dann nicht mehr hier gewohnt habe, musste mein Mann an dem Tag das Auto abgeben und die Kinder hüten", sagt die 54-Jährige lachend.

Da es aber nicht alle wie Christel Malorny gemacht haben, kann man jetzt nicht mehr ohne Weiteres bei einer Probe fehlen. "Jede Sängerin muss sich jetzt in die Verantwortung nehmen. Wir brauchen wirklich jede Stimme", sagt Malorny. Da könne sich keiner mehr verstecken.

Mit der neuen Stimmsituation hat sich auch das Repertoire des Chores verändert. Was früher mit Kirchenliedern begann, soll heute eine ganz andere Lücke füllen: Pop und Schlager sollen zukünftig den musikalischen Schwerpunkt darstellen. Anstatt Gott steht jetzt also die Schlagersängerin Helene Fischer im Mittelpunkt. "Die Kirche wird immer dazu gehören, aber nie der übergreifende Teil sein." Damit hat sich der ehemalige Männergesangsverein auch musikalisch emanzipiert.

An Weihnachten hält die Harmonie Rheinberg aber immer noch an den alten Traditionen fest. So singen sie zum dritten Advent entweder am Freitagabend in der Kirche oder am Sonntag im Anschluss des Gottesdienstes auf einer offenen Bühne hinter der Kirche. "Da singen wir vor allem traditionelle Lieder, bringen aber immer noch ein Stück ein, was nicht alltäglich ist", sagt Christel Malorny. Mit dabei sind am Fest der Liebe auch immer ihre Familien.

Video-Türchen: Für unseren Adventskalender hat der Chor ein Weihnachtslied gesungen. Sie finden es heute auf den Facebookseiten unserer Redaktionen vom Niederrhein, zum Beispiel auf der Seite "Rheinische Post Wesel - Hamminkeln - Schermbeck - Hünxe" oder via www.facebook.com/rp.wesel * Am Wochenende gibt es zwei Türchen! Türchen Nummer 10 finden Sie online unter www.rp-online.de/kleve. Das Video dazu gibt's Sonntag auf unseren Facebookseiten.

(jms)
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