Dinslaken Nils D. berichtet aus der IS-Hölle
Dinslaken · Im Januar hat ein Sondereinsatzkommando den Syrien-Rückkehrer Nils D. in Dinslaken verhaftet. Jetzt berichtet er über seine Zeit bei der Terrormiliz Islamischer Staat.
Rückblende, 10. Januar 2015: Ein silberfarbener Polo ist auf der Krengelstraße unterwegs. Plötzlich geht alles ganz schnell. Fahrzeuge eines Sondereinsatzkommandos stoppen den Kleinwagen, Einsatzkräfte springen heraus, überwältigen den Fahrer. Es ist der 24-jährige Nils D. Der Dinslakener war seit Oktober 2013 in Syrien, war seinem Cousin Philip B. als Teil der berüchtigten Lohberger Brigade in den angeblich Heiligen Krieg gefolgt.
Philip B. soll sich im August 2014 mit einer Autobombe bei einem Selbstmordattentat auf einen Stützpunkt der kurdischen Peshmerga-Miliz in die Luft gesprengt haben. Nils blieb ein Jahr bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), kehrte - möglicherweise als Reaktion auf den Tod seines Cousins - zurück und stand offenbar bis zu seiner Festnahme unter Beobachtung. Im September dieses Jahres hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben. Im Januar 2016 soll ihm vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf der Prozess gemacht werden.
Der Dinslakener ist aber offenbar auch ein wertvoller Zeuge gegen andere IS-Kämpfer aus Deutschland. So soll er vor dem Oberlandesgericht in Celle aussagen, vor dem sich zwei Wolfsburger wegen ihrer Verbindung zum Islamischen Staat verantworten müssen.
Mehrere deutsche Dschihadisten sind nach Angaben von Nils D. bei einer Spezialeinheit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an Folterungen und Hinrichtungen beteiligt gewesen. In der Abteilung "Sturmtrupp" seien sie für die Festnahme von Abweichlern und Deserteuren zuständig gewesen. Das berichtete am Dienstag der Rechercheverbund von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR. D's Aussagen, so heißt es in dem Bericht, erzählten viel über das Mitwirken der Deutschen am Terror des IS.
Diese hätten eine zentrale Rolle gespielt im Repressionssystem der Organisation, das sich nicht nur gegen die Zivilbevölkerung richtet, sondern zunehmend auch gegen eigene Kämpfer. In Manbij, einer Kleinstadt etwa 40 Kilometer von Aleppo, sei der "Sturmtrupp", zu dem Nils D. gehörte, untergebracht gewesen. Laut den Aussagen des Dinslakeners habe es dort Folterkammern gegeben, auch einen "Hinrichtungsmarktplatz", auf dem Erschießungen und Enthauptungen stattgefunden hätten.
Der Dinslakener bestreitet allerdings an diesen Gräueltaten beteiligt gewesen zu sein, obwohl sich auf seinem Handy ein Foto gefunden haben soll, auf dem er zu sehen ist, wie er einem Gefangenen die Waffe an den Kopf halte.
Lediglich an Festnahmen will Nils D. nach eigener Aussage beteiligt gewesen sein, ansonsten habe er gekocht, eingekauft und einen Gefangenenputztrupp überwacht. Auch habe er als Dolmetscher fungiert, als ein Islamist aus Mönchengladbach als Verräter beschuldigt worden sei und sich vor einem "Richter" verantworten musste.
Mindestens sechs der Dinslakener Islamisten sollen seit 2013 in Syrien getötet worden sein, vier von ihnen sind zurückgekehrt. Der einzige, der sich bislang vor Gericht verantworten muss, ist Nils D. Bei den anderen Rückkehrern, die weitgehend desillusioniert sein sollen, bemüht man sich um eine Wiedereingliederung.
Um die ehemals so aktive islamistische Szene, deren Keimzelle das Lohberger Ledigenheim war, ist es ruhig geworden. "Von besorgniserregenden Aktivitäten Dinslakener Salafisten ist uns zurzeit nichts bekannt", sagte Stadtsprecher Horst Dickhäuser gestern der Rheinischen Post.