Unsere Woche Niemand will „Ersatz“ sein – ein Plädoyer für Jung und Alt

Spellen · Der Vorstand der Bürgerinteressengemeinschaft „Big“ im Spellen will seinen Altersdurchschnitt senken. Man hat schon mal zwei Mittdreißiger rekrutiert. Nach und nach, verteilt über die nächsten Jahre, wollen weitere ältere Mitglieder das Heft aus der Hand geben.

Erklärtes Ziel ist es, dafür Jüngere ins Boot zu holen. Leute, die im Berufsleben stehen. Die Familien mit kleineren Kindern haben. Über die derzeit noch einzige, frisch dazugestoßene Frau im Vorstand freut man sich ausdrücklich. Man möchte hinzufügen: Vielleicht bleibt es ja nicht bei einer.

In Spellen läuft das alles ganz unaufgeregt. Dabei ist das, was der Vereinsvorstand da tut, in Wahrheit außergewöhnlich. Und es könnte ein Vorbild sein für andere Vereine. Landauf, landab klagen Ehrenamtler über zu wenig Nachwuchs für die Vorstandsarbeit. Die Älteren steigen aus, man sucht Ersatz. Und das ist das Problem: „Ersatz“ will nämlich niemand sein. Die Krux ist das Konzept, dass die Neuen weiterführen sollen, was die Alten immer gemacht haben.

Der Ansatz in Spellen ist ein anderer. Man sucht nicht nach jemand Jüngerem, der eine Lücke stopfen soll. Man sucht Jüngere, weil man ganz gezielt deren Perspektive haben will. Weil der Vorstand festgestellt hat: Es ist nicht gut, wenn unser Gremium nur aus älteren Männern besteht. Da fehlen Ideen und Sichtweisen. Da fehlt beim Überlegen und Entscheiden die Lebenswirklichkeit der Jüngeren: deren Ideen, Perspektiven, deren Aufmerksamkeit für bestimmte Arbeitsfelder.

Man sucht in Spellen keine Leute, um Aufgaben abzugeben. Man sucht Leute, um auf neue Aufgaben zu kommen. Das  ist  eine  grundsätzlich  andere  Zielsetzung.

Zugleich wollen die Spellener ihre ausgestiegenen Mitstreiter in eine Art „Beratergremium“ locken. Ebenfalls eine gute Idee. Denn mitunter erleben Vereine einen Generationenwechsel, nach dem plötzlich die Jungen am Ruder sind. Mit etwas Pech ist dann erstens mit den Vorgängern eine Menge Wissen weg, und zweitens: Wenn nur noch junge Leute lenken, ist das genau so wenig durchmischt, wie, wenn nur ältere es tun.

Nur mit einem gemischten Team lässt sich der Draht zu all den Menschen halten, deren Interessen man vertreten oder die man ansprechen will. Das ist für die Big in Spellen sicher im besonderen Maße wichtig, denn ihre Mitglieder sind die örtlichen Vereine und diejenigen, die darin zusammengeschlossen sind. Das heißt also: So ziemlich alle im Dorf. Eine viel breitere Zielgruppe ist kaum denkbar.

Aber grundsätzlich stehen auch weniger bunt besetzte Vereine und erst recht Parteien oder kleinere Interessengemeinschaften vor der gleichen Situation.

Jede Gemeinschaft tut sich selbst einen Gefallen, wenn sie von sich aus den Wunsch entfaltet, die Gruppen, die sie ausmachen, auch in ihren Gremien zu repräsentieren. Junge und Alte, Männer und Frauen, die Alteingesessenen und die Zugezogenen oder für wen auch immer sie stehen wollen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

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sina.zehrfeld@rheinische-post.de

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