Buchkolumne Prägende Menschen und Momente

Der international erfolgreiche italienische Romancier und Autor der legendären „Montalbano“-Krimi-Reihe, Andrea Camilleri, hat mit seinem neuen Buch „Gewisse Momente“ (italienisch: „Certi Momenti“) einen Lebensrückblick sehr ungewöhnlichen Zuschnitts vorgelegt.

Denn der inzwischen 93 Jahre alte, aus Sizilien stammende Schriftsteller hat nicht seine eigene Lebensgeschichte in den Mittelpunkt gestellt, sondern die Menschen porträtiert, die ihm auf seinem Lebensweg begegnet sind und die ihn als Mensch oder als Künstler geprägt haben.

„Gewisse Momente“ hält in über 30 Geschichten und Anekdoten aus Camilleris Leben die Erinnerung an markante Persönlichkeiten fest, die ihm in seinem Leben, vorzugsweise in seinen jungen Jahren, begegnet sind. Da ist der junge Antonio, ein passionierter Leser, der das Leben und die Kriegsgeschehnisse in den 1940er-Jahren nur wie nebenbei zur Kenntnis nimmt und mit einem Buch in der Hand stirbt. Und da ist eine frühe Geliebte, die seine Griechisch-Lehrerin wird, oder die stadtbekannte Prostituierte Foffa, die ihm sein Leben erzählt und sich nach dem Unfalltod ihrer beiden Söhne im Hafen ertränkt.

Als Camilleri vor seiner Hochzeit noch eine Beichte ablegen muss, entwickelt sich daraus ein tiefschürfendes Gespräch. Camilleri erinnert sich aber auch an enge Freunde und Feinde unter seinen Schriftsteller- und Künstler-Kollegen oder an einen furchterregenden Schwerkriminellen, in dem er während eines kurzen Gefängnisaufenthaltes in der Nachkriegszeit einen Freund und Beschützer fand. Eine besonders anrührende Erinnerung gilt einem jüdischen Mitschüler, der 1938, im faschistischen Italien, plötzlich von der Bildfläche verschwand und dem Camilleri Jahrzehnte später plötzlich wieder gegenübersteht.

Die ebenso unterhaltsam zu lesenden wie menschlich berührenden Porträts eigenwilliger Figuren und starker Charaktere schwanken zwischen Komik und Tragik und lassen den Autor dabei keineswegs in einem nur positiven Licht erscheinen. Die mit feinem Humor gezeichneten Porträts lassen sich so immer auch als ein indirektes Selbstporträt Camilleris lesen, das den Schriftsteller als streitbaren Geist, aber auch als gänzlich uneitel und als sensiblen, humorvollen und liebenswerten Menschen zeigt.

Andrea Camilleri: Gewisse Momente, Kindler Verlag, Hamburg: 2018

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