Dinslaken Mordversuch an Weihnachten: Haftstrafen

Dinslaken · Weil er versucht hat, die Mutter seiner Internetbekannten zu ermorden, soll der Täter für neun Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die zur Tatzeit 15-Jährige Mitangeklagte erhielt eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Das Urteil des Duisburger Landgerichts fiel nach neun Verhandlungstagen und einer umfänglichen Beweisaufnahme mit vielen Zeugen und Sachverständigen. In der Begründung ging der Richter noch einmal detailliert auf die lange Vorgeschichte, den Tatabend und insbesondere das Verhalten der jungen Frau nach der Tat ein. Nachdem beide Angeklagte über einen längeren Zeitraum eine Internetbekanntschaft pflegten, war der heute 29-Jährige im Dezember vergangenen Jahres mit einem Touristenvisum nach Deutschland gekommen. In Oberhausen holte die damals 15-Jährige den Mann, den sie zuvor nur auf dem Bildschirm gesehen hatte, vom Bahnhof ab.

Nach einem Sturz vom Balkon in seiner Heimat lief er an Krücken, humpelte und trug einen schwarzen Mundschutz. Gemeinsam kauften sie ein Weihnachtsgeschenk für die Mutter des Mädchens und fuhren in ein Dinslakener Hotel. Dass beide in der Nacht zu Heiligabend versuchten, die Frau zu töten, sei in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen, weil der weitaus ältere Mann aus verblendeter Liebe gehandelt habe. Zum anderen, weil bei Gewalttaten gegen Eltern sonst hauptsächlich Drogen, Aggressionen oder Affekt eine Rolle spielten. Von all dem sei hier aber nichts zu sehen. Der Schlüssel liege in der Beziehung der beiden, die sich in ihrer Isoliertheit im Internet kennen lernten. Der vorangegangene Chatverlauf gebe tiefe Einblicke in die Fantasien der beiden.

Allerdings habe die Beweisaufnahme auch ergeben, dass der Mann nicht nach Deutschland kam, um zu töten. Er habe der Schülerin nahe sein wollen und wohl auch auf eine Zukunft hier gesetzt. Sie habe gehofft, durch den Tod ihrer Mutter ihr Leben auf den Kopf stellen und alle Probleme lösen zu können. "Da gab es keinen Tatplan", schloss der Richter. Dennoch seien Tötungsfantasien schon in den Chats deutlich geworden. Am Abend sei es dann die Schülerin gewesen, die den Mann zur Ausführung der Tat drängte und ihn in die Wohnung ließ. Ob sie selber aktiv Hand anlegte und vielleicht ein Kissen auf das Gesicht der Mutter drückte, könne man nicht feststellen. Man könne aber sicher sein, dass der Versuch nahe an der Vollendung war. Das Leben der Frau sei nur durch den mutigen Eingriff eines Nachbarn gerettet worden, der den Lärm hörte und die Tür auftrat.

Der Angriff sei für das Opfer völlig überraschend gekommen. Zum Glück gebe es keine nennenswerten körperlichen Folgen. Die psychischen seien dagegen existenziell und traumatisch. Die Mutter des Mädchens verfolgte große Teile der Verhandlung im Gerichtssaal mit. Der Angeklagte legte ein Geständnis ab. Das Gericht stellte fest, dass er entgegen der Ansicht des Verteidigers, trotz "gewisser psychischer Auffälligkeiten" voll schuldfähig ist. Die heute 16-Jährige dagegen war nur teilgeständig. "Sie erkennt ihre mittäterschaftliche Rolle nicht an", folgerte der Richter. Durch das Urteil bekomme sie eine schonungslose Diagnose, nun müsse erzieherisch auf sie eingewirkt werden. Bei ihr sei allerdings eine verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen. Dennoch liege keine Realitätsverkennung ihrerseits vor. Sie habe nach der Tat kaltblütig vor der Polizei ihre Geschichte von einem Unbekannten aufrecht erhalten, der in die Wohnung eingedrungen sei. Das hatten die Beamten ihr zunächst geglaubt.

Das Gericht wird noch prüfen, ob auch die baldige Unterbringung in einem Heim oder einer anderen Einrichtung in Frage kommt. Ausgeschlossen sei indes, dass die 16-Jährige jetzt in den Haushalt der Mutter zurückkehre. Gegen beide Angeklagte bleibt der Haftbefehl in Vollzug. Bei dem 29-Jährigen aus Malaysia wegen bestehender Fluchtgefahr. Bei der 16-Jährigen wegen der Schwere der Tat.

(RP)
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