Nach Metal im Kuhstall in Voerde „Wir kennen unsere Tiere und wissen, wie es ihnen geht“
Voerde · Die zurzeit wohl bekanntesten Rinder Deutschlands stehen auf der Weide von Christian Hülsermann in Voerde-Spellen. Sein Demeter-Hof war wegen eines Metal-Konzerts im Kuhstall in die Schlagzeilen geraten – wegen angeblichen Verstoßes gegen das Tierwohl. Doch wie leben dort die Tiere tatsächlich?
Ziemlich relaxed sehen sie aus, die Rinder von Christian Hülsermann, dessen Hof, der Tinthof in Spellen, es in den vergangenen Tagen wiederholt in die Schlagzeilen geschafft hat. Im Schatten einiger Bäume liegen sie widerkäuend in einer Ecke der Weide, die von einem unter Spannung stehenden Zaum umgeben ist. Zwischen Muttertieren, die mit ihren Hörnern ziemlich wehrhaft aussehen, kuscheln sich einige Kälber. „Kühe mögen es kühl“, sagt Hülsermann. Ob sie es auch leise mögen?
Die Herde ist überschaubar. Hülsermann hält 35 Holstein Frisian Schwarzbunte auf seinem Hof, der vor zehn Jahren dazu überging, nach Demeter-Richtlinien zu produzieren. „Das war kein leichter Schritt“, erinnert sich der 54-Jährige, „aber ich war schon immer neugierig.“ So hatte er schon als konventioneller Landwirt das ein oder andere ausprobiert, zum Beispiel auf die Düngung der Weide verzichtet und festgestellt, dass dies Einfluss auf den Geschmack der Mich hatte. „Die Qualität der Milch beeinflusst den Geschmack des Käses nicht unerheblich“, weiß Hülsermann.
Im Hofladen und auf dem Bauernmarkt freitags in Spellen, jenem zu Voerde gehörenden Örtchen zwischen Dinslaken und Wesel, einen Kilometer vom Rhein und zwei vom Wesel-Datteln-Kanal entfernt, verkauft der Tinthof Käse, den Hülsermann selbst herstellt. Zweidrittel der Milchproduktion wird beim Käsemachen verarbeitet, ein Drittel geht in die Molkerei. Die Milchproduktion könnte höher sein. Doch den Erstanspruch noch vor der Melkmaschine haben die Kälber, die wahrscheinlich gar nicht ahnen, wie gut sie es haben, dass sie bei ihrer Mutter aufwachsen dürfen. Jedenfalls die weiblichen.
Glückliche Hühner und zwei Gänse
Im Hofladen und auf dem Markt angeboten werden auch Honig und Eier. Letztere von zweifellos glücklichen Hühnern, die in einem abgetrennten Bereich im Gras picken, jetzt aber erwartungsvoll auf den hochgewachsenen Landwirt im blauen T-Shirt mit Hof-Logo auf der Brust zueilen, wissen sie doch, dass Hülsermann sie nicht selten mit einer Handvoll Getreide besucht. Heute leider nur mal so. Das Interesse lässt erkennbar nach.
Die Aufsicht über das Hühnervölkchen führen zwei Gänse. „Die passen auf, dass der Habicht nicht zuschlägt“, erläutert der Landwirt. Die Hühner übernachten in einem mobilen Hühnerhaus, das Platz für etwa 150 Hühner bietet. Tagsüber sind sie draußen, wo sie sich artgerecht im Gebüsch verstecken können. Auch ein paar Schweine hat der Hof, doch nur für den Eigenbedarf.
Über 90 Hektar Fläche verfügt der Tinthof, wovon 30 Hektar zur Beweidung zur Verfügung stehen. Auf der übrigen Fläche baut Hülsermann Getreide an. „In normalen Jahren müssen wir kein Futter zukaufen“, sagt Hülsermann. Dieses war eigentlich schon zu nass, um als normal durchzugehen. „2022 war ein normales Jahr“, meint der verwitwete Landwirt, der den Hof mit einer Mitarbeiterin, einem Auszubildenden und zwei geringfügig Beschäftigten bewirtschaftet. „Reich werden kann man damit nicht. Aber es macht eine Freude, das zu sehen“, sagt er und lässt seinen Blick über seine Gras rupfende Kuhherde streifen.
Kälber sind nachts im Stall
Die wechselt gerade von der einen zur anderen Seite der Weide. „Weil der Schatten weg ist“, vermutet Hülsermann. Eine Kuh – war es Gwenhyfa? Oder doch Rondelle? Alle haben einen Namen – hat den Anfang gemacht. Alle anderen folgen, auch die Kälbchen, die im Gegensatz zu den erwachsenen Tieren nachts im Stall sind.
Ach ja, der Stall. Hülsermann steht am weit geöffneten Eingang der Scheune, hinter ihm eine leere Fläche und eine aufgetürmte Reihe von Strohballen. Vor diesen hatte kürzlich eine Metal-Band auf einer Bühne ihr Bestes gegeben. Was der Tierrechtsorganisation Peta zu Ohren kam, die den Landwirt als Veranstalter beim Kreisveterinäramt Wesel anschwärzte. Weil sich im hinteren Teil der Scheune Kälber befunden hatten, die angesichts der Geräuschkulisse nicht nach draußen ausweichen konnten, wie Peta kritisierte.
„Kühe haben sensible Ohren“, bestätigt Hülsermann. „Sie reagieren auf ungewohnte Geräusche.“ Dazu zählt auch ein Metal-Konzert. Beim Soundcheck seien die Kälber noch aufgeregt herumgesprungen. Bis das Konzert begonnen habe, hätten sie aber keine Notiz mehr davon genommen. Was sich mit der Erfahrung aus früheren Musikveranstaltungen an selbiger Stelle decke. „Wir kennen unsere Tiere und wissen, wie es ihnen geht“, betont Hülsermann. 100 menschliche Zuhörer waren begeistert – nur eine nicht, die stattdessen Peta einschaltete.
Keine Veranstaltung mehr in Anwesenheit der Tiere
Das Veterinäramt im Kreis Wesel hat das Konzert als „vermeidbaren Lärm“ eingestuft und dem Landwirt untersagt, weitere Veranstaltung in Anwesenheit von Tieren durchzuführen. Selbstverständlich wird Hülsermann sich daran halten. Auch wenn er der Ansicht ist: mehr zur Beruhigung der Behörde und der Öffentlichkeit, als zur Beruhigung der Tiere. „Die waren nicht beunruhigt“, versichert Hülsermann. Doch auf solche Musikveranstaltungen verzichten will er auf keinen Fall: „Die Tiere werden dann eben ausquartiert.“