Dinslaken Mein Indianer-Freund Eddie

Dinslaken · Die Arbeit mit behinderten Menschen in Kanada bereitet Rick Springer zusehends Freude. Der 20-jährige Dinslakener fühlt sich wohl in der L' Arche Cape Breton. Und manche der Betreuten nennt er längst Freunde.

Ich bin nun seit über einem halben Jahr hier und meine Einstellung gegenüber meiner Arbeit hier hat sich rapide geändert. Ich sehe vieles weniger als Arbeit, sondern vielmehr als Verpflichtung an. Schließlich vertrauen mir die Core Member, die Menschen mit Behinderungen von L' Arche Cape Breton, dass ich ihnen helfe, jeden Tag so gut wie möglich für sie zu gestalten.

Das heißt nicht, dass ich sie pausenlos unterhalten soll, aber ihnen Möglichkeiten eröffne, sich selbst zu verwirklichen. Das war eine wichtige Lektion, die mir besonders eine Person beigebracht hat: Eddie. Eddie ist einer der "First Nations" oder auch "Native", ein Mikmaq-Indianer, aufgewachsen im Waycobah Reservat. Er ist etwa 1,60 Meter groß und trägt seine Haare immer zu einem Zopf geflochten. Er hat Probleme mit seiner Hüfte und lagert sein Körpergewicht meistens auf einen Fuß, wenn er läuft. Auch sein Alter macht ihm zu schaffen Nichtsdestotrotz ist er ziemlich stark und kann brüllen wie ein Löwe, wenn er etwas launisch wird. In ihm steckt viel mehr, als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Sachen unterm Kissen verstecken

Am liebsten sitzt er im Sessel, trinkt Kaffee und hört Johnny Cash oder The Beatles. Eddie hat in seiner Kindheit viele traurige Erfahrungen machen müssen. So hat er nie seine Eltern kennen gelernt und ist von vielen verschiedenen Frauen aus seiner Umgebung großgezogen worden.

Bevor er nach L' Arche Cape Breton kam, lebte er in einer Institution, die sich wenig um seine Bedürfnisse gekümmert hat und die Folgen sind heute noch zu spüren. Beispielsweise hat er die Angewohnheit, seine Sachen unter seinem Kissen zu verstecken, weil es ihm in der Institution nicht erlaubt war, Besitztümer zu behalten. Das alles hat ihn sehr geprägt und oft fragt er daher, ob er geliebt wird.

Für ihn ist es wichtig, dass er auf seine Frage eine Bestätigung bekommt und eine meiner Aufgaben ist es, ihm eben diese zu geben. Er war der erste Mensch mit Behinderung, den ich hier kennen gelernt habe, und mir ist eines klar geworden: Je mehr Zeit ich mit ihm verbracht habe, desto stärker wollte ich seine Bestätigung bekommen. Ich habe zwar auch gelernt, dass ich niemanden retten kann und die Arbeit mit Behinderten immer als Arbeit ansehen sollte, doch kommt die Freundschaft mit manchen von diesen Menschen von alleine.

Natürlich kann man sagen, es ist keine richtige Freundschaft, weil ich bezahlt werde, um ihm zu helfen und mit ihm Zeit zu verbringen. Doch daher kommt auch der Einstellungswandel gegenüber meiner Arbeit. Ich habe die Verpflichtung, Eddie zu helfen, nicht weil es mein Job ist, sondern weil er es als Freund verdient. Manchmal hat man mit ihm den größten Spaß. Im nächsten Moment kann es sein, dass er dich anschreit. Er hat mir mit seiner Art meine Grenzen aufgezeigt, aber ich habe mich dadurch auch in meiner Persönlichkeit weiterentwickelt. Und dafür bin ich sehr dankbar.

(RP)
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