Dinslaken Mehr zahlen, weniger kriegen

Dinslaken · Die Koalitionsparteien in Berlin feiern die Einigung zur Gesundheitsreform. Aus Dinslaken stimmt jedoch niemand in die Lobeshymnen der Politiker ein. Für „Murks“ und „reformbedürftig“ halten Experten das Resultat.

Steigende Beiträge, höhere Zuzahlungen, mehr Eigenvorsorge: Martina Lorenz zieht’s die Schuhe aus beim Gedanken an die Gesundheitsreform. „Oben wird gespart, und unten wird bezahlt“, stellt die Dinslakenerin mit Blick auf das Ergebnis der Verhandlungen zwischen SPD und CDU fest. Ihr Lebensgefährte Michael Staudte bezweifelt gar, „dass sich da oben überhaupt jemand Gedanken gemacht hat“.

Ins Horn der Kritik stößt auch Dr. Michael Weyer. „Murks“, meint der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis Wesel zu Gesundheitsfonds, Ein-Prozent-Regel und Festlegung von Vorsorgeuntersuchungen. „Die wesentlichen Punkte sind die Parteien nicht angegangen“, bemängelt Weyer, „es ist eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.“ Er vermisst Antworten zu dringenden Fragen: „Die Honorarsituation für Ärzte bleibt ungeklärt, und wir wursteln weiter mit diesen unsäglichen Budgets.“

„Staatlicher Dirigismus“

„Ich zahle schon Praxisgebühr und muss für jedes Medikament fünf Euro berappen“, so Martina Lorenz, „und jetzt noch mehr. Dabei wird die medizinische Versorgung nicht besser.“ Der Fachmann unterstützt sie dabei: „Die Vorsorge, die jeder Patient erhalten soll, ist völlig unzureichend“, so Dr. Weyer. Allein an Blutzucker- und Cholesterin-Werten sei nicht die Gesundheit eines Menschen abzulesen, dafür würden die Wartezimmer noch voller. Auch aus Sicht der Krankenkassen ist die Gesundheitsreform nicht ausgereift. „Die Reform ist reformbedürftig“, argumentiert Bernhard Clemens, Bezirks-Geschäftsführer der DAK in Dinslaken. Die Ersetzung des Kassen-Wettbewerbs durch den Einheitstarif sei „staatlicher Dirigismus, der zu Lasten der Versicherten geht“. Es sei bloß „eine zusätzliche Bürokratisierung“, wenn eine den Kassen übergeordnete Stelle eingerichtet wird, die den Gesundheitsfonds verwaltet. Aber, so hofft Clemens leise: Bis die Reform 2009 endgültig kommt, „vergeht noch eine halbe Ewigkeit“.

„Gesundheit kostet eben“

Im Streit zwischen Rot und Schwarz seien „zwei nicht kompatible Systeme ineinander geworfen“ worden, beobachtet der Inhaber der Kronen-Apotheke, Michael Becker, zudem würden die Patienten in ihrer Versorgung in die 1980er Jahre zurückgeworfen. Allerdings räumt er ein: „Gesundheit kostet eben. Unsere Gesellschaft muss lernen: Es geht nicht immer billig.“

(RP)
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