Unsere Woche Wir sollten viel mehr hinsehen, wenn wir keine Frauen sehen

Meinung · Stellen Sie sich vor, Sie beträten den Ratssaal, und da wäre alles voller Frauen, dazwischen hier und da ein Mann. Hätten Sie dann das Gefühl: „Sehr schön, der Stadtrat! Diese Frauen und diese paar Männer hier entscheiden jetzt mit Fug und Recht über die Politik in meiner Stadt.“ Oder hätten Sie das Gefühl, dass es da irgendwie zu einer merkwürdigen Entwicklung gekommen ist?

 Mehr Frauen in den Dinslakener Rat– ein Thema, das für Gesprächsstoff sorgt.

Mehr Frauen in den Dinslakener Rat– ein Thema, das für Gesprächsstoff sorgt.

Foto: Heinz Schild

Stellen Sie sich vor, Sie beträten den Ratssaal, und da wäre alles voller Frauen, dazwischen hier und da ein Mann. Hätten Sie dann das Gefühl: „Sehr schön, der Stadtrat! Diese Frauen und diese paar Männer hier entscheiden jetzt mit Fug und Recht über die Politik in meiner Stadt.“ Oder hätten Sie das Gefühl, dass es da irgendwie zu einer merkwürdigen Entwicklung gekommen ist?

Der umgekehrte Fall ist aber Alltag, und kaum jemanden kümmert es, es fällt noch nicht mal auf. In Dinslaken gibt es gerade mal sechs weibliche Ratsmitglieder. Ist es nicht bemerkenswert, dass das erst ins Gespräch kommt, wenn sich die Gleichstellungsstelle im Vorfeld einer Kommunalwahl darüber beschwert?

Das passiert nicht nur in Dinslaken: Gleichstellungsstellen in der Region appellieren für Maßnahmen gegen die ungleiche Geschlechterverteilung, zum Beispiel Quoten. Dagegen gibt es – wie zu erwarten war – Widerstände.

Ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Politik wäre eine Party. Und aus irgendeinem Grund kommen kaum Frauen. Vielleicht ja tatsächlich, weil ihnen in der Vergangenheit so lange vermittelt wurde, dass sie nicht erwünscht waren. Der Geist einer Gesellschaft ist äußerst nachtragend.

Jedenfalls, die Frauen bleiben aus, wir hätten aber gern welche dabei. Was könnten wir tun? Vermutlich: Dinge ändern. Andere Musik auflegen (Stichwort: Stil und Atmosphäre im Politikbetrieb). Oder: Beim Einlass auf ausgewogenes Geschlechterverhältnis achten (Quotenregelungen, paritätische Besetzung von Wahllisten). Vorbilder aufbauen, die demonstrieren, wie gut diese Party für Frauen geeignet ist (Frauen in Entscheidungsebenen, paritätische oder weibliche Besetzung von Posten). Rat einholen, was man verbessern könnte (Frauen fragen, die sich zwar engagieren, aber zum Beispiel vor einer Kandidatur zurückschrecken). Frauen gezielt einladen (genau das).

Das alles setzt allerdings voraus, dass man an der Unwucht der Geschlechter wirklich etwas ändern will. Und zwar erstmal unabhängig davon, wodurch sie verursacht wird. Selbst, wenn es rein äußere Umstände sein sollten, die Frauen fernhalten (und Männer nicht): Sofern man diese Umstände nicht einfach umbiegen kann, müsste man halt das eigene Arbeitsfeld so gestalten, dass die Umstände nicht mehr entscheidend sind.

Und das sollten wir wollen. Wir sind es zu sehr gewöhnt, dass keine Frauen im Bild sind. Es stutzt niemand, wenn er oder sie in einen Ratssaal kommt und höchstens eine Handvoll Politikerinnen antrifft. Dass das so ist, ist nicht die Schuld von einzelnen, aber es ist nun mal verkehrt. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Man sieht es auch in Vorständen von Vereinen, in Entscheidungsebenen von unterschiedlichsten Organisationen. Es irritiert niemanden, wenn Frauen höchstens im Hintergrund mitmischen.

Dass man sich an ein Missverhältnis gewöhnt hat, und dass etwas schon immer so war, heißt nicht, dass es okay ist. Die Frage ist, ob wir lieber eine Gesellschaft hätten, in der es auffällt, wenn keine Frauen auf der Party tanzen. Wenn das so ist, dann können nur diejenigen das ändern, die die Party bisher organisieren. Und wer, wenn nicht allen voran die Politik wäre gefragt, wenn es darum geht, gesamtgesellschaftliche Veränderungen anzustoßen?

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie an dinslaken@rheinische-post.de

Das Thema bietet Stoff zur kontroversen Diskussion. Lesen Sie, wie auf Ebene des Kreises Wesel darüber gesprochen wird. Lesen Sie dazu auch die Meinung meines Kollegen Sebastian Peters.

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