Hünxe/Voerde "Lippesagen" - von Hexen und Geistern
Hünxe/Voerde · Neues Buch stellt wunderliche Erzählungen einer märchenhaften Region vor. Auch in Hünxe und Voerde hat's gespukt.
Wer eine Hexe beschimpft, landet schnell im Sack. Wer so clever ist wie das Hedmännchen, ist noch schneller wieder draußen. Dem kleinen Kerl, der vor sehr langer Zeit in der Schwarzen Heide das Kraut mähte, gelang die Flucht gleich dreimal hintereinander. Dass eine wunderliche Alte den Zwerg in siedendes Öl werfen wollte, sollte sie bereuen. Hedmännchen drehte den Spieß um und frittierte die Hexe. Das alles ist natürlich niemals wirklich geschehen. Es ist eine Sage, die in Hünxe entstanden ist zu einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Dirk Sondermann hat sie aufgeschrieben und gemeinsam mit anderen wunderlichen Geschichten in einem Buch zusammengestellt.
"Lippesagen" führt den Leser von der Mündung des Flusses bei Wesel in den Rhein bis zur Lippequelle bei Bad Lippspringe. Erstmals werden fast alle sagenhaften Stätten an der Lippe detailliert mit Angabe des Ortes, der Straße und — falls der Orientierung dienlich — mit GPS-Daten versehen. Hierzu hat Dirk Sondermann mehrere Tausend Kilometer Weges "erfahren", um möglichst viele sagenhafte Stätten vor Ort aufzuspüren. Wo möglich, werden die geschichtlichen Hintergründe der Überlieferungen skizziert, und es wird auf Zusammenhänge mit anderen Sagen des Buches hingewiesen.
Hünxe ist mit sieben Sagen vertreten. Neben der Geschichte vom "Hedmännchen" erfährt der Leser, "Wie der Name Drevenack entstanden sein soll". Er begegnet dem "spukenden Geist auf dem alten Hof", steigt hinab in den "Totenkeller bei Burg Schwarzenstein", hat eine Begegnung mit "Jan Frithoff", einem übellaunigen Kerl, der seinem Nachbarn vom Acker ein paar Furchen abgepflügt haben soll und dafür in der Hölle landete. Er erfährt etwas über den "Kürbaum im Hünxer Wald" und was es mit dem "Schatz im Forst" auf sich hat.
Auch Voerder Sagen sind in dem Buch zu finden. Da geht es um Werwölfe, die am Spellener Grovelsberg zur Nachtzeit Wanderer anfallen. Es gibt eine kleine Geschichte über die "Seherin Veleda" und das verwunschene "Schloss Heidelust", auf dem einst ein lüsterner Ritter seinen Begierden frönte und einen Pakt mit dem Teufel schloss. Als der Höllenfürst als Gegenleistung für die sich ständig von selbst wieder füllende Eichentruhe mit Gold- und Silbermünzen nicht nur seine Seele, sondern auch die seiner Tochter haben wollte, lehnte der Wüstling ab. Der Teufel war ziemlich sauer und machte daraufhin das Schloss unsichtbar. Alle 100 Jahre taucht es wieder auf — bevorzugt in Mondnächten — um braven Bürgern kalte Schauer über den Rücken rieseln zu lassen. Sagt man.
Die "Lippesagen" wenden sich sowohl an die Bewohner der Lipperegion vor Ort als auch an Ortsfremde und Touristen. Ein Ortsregister und genaue Literaturangaben runden das Buch ab. Auf der Lesereise durch die Lippesagen kommt es auch zu "sagen-haften" Begegnungen mit historischen Gestalten wie dem Römerfürsten Germanicus, Hermann dem Cherusker, den Nibelungen, Dietrich von Bern, Herzog Wittekind, Kaiser Karl dem Großen, König Friedrich dem Großen und vielen anderen Gestalten der Geschichte und Überlieferung. Hin und wieder wurden auch Legenden und besonders gelungene Schelmengeschichten vom Lügenbaron Münchhausen sowie von den Beckumer "Schildbürgern" aufgenommen. Es darf also auch geschmunzelt werden.
Dirk Sondermann (Hg.), Lippesagen — Von der Mündung bis zur Quelle, 368 Seiten, gebunden, 16,90 Euro, ISBN 978-3-942094-39-9