Kommentar: Unsere Woche Mieses Spiel: Glocken verstecken

Meinung · Erst wird das wertvolle Glockenspiel von einem alten Haus in der Dinslakener Fußgängerzone beim Schrotthändler eingeschmolzen, die historische Fassade zu Tode saniert. Und jetzt sollen Bürger dafür bezahlen, dass neue Glocken gegossen und irgendwo anders an die Wand genagelt werden? Wer bitte hätte eigentlich etwas davon?

 Das Glockenspiel nachzubauen ist vielleicht doch nicht die beste Idee. Denn wo soll es hängen?

Das Glockenspiel nachzubauen ist vielleicht doch nicht die beste Idee. Denn wo soll es hängen?

Foto: HSB/Schwarze-Blanke

Fassen wir das traurige Ende vom Lied ums Dinslakener Glockenspiel mal zusammen. Das Instrument von der historischen Fassade in der Fußgängerzone ist zerstört. Es soll eine Replik erstellt werden. Aber die wird dann nicht am alten Standort aufgehängt, sondern sonstwo in der Stadt. Der Wunsch im Testament des Mannes, dem das Haus mal gehörte und der es an die Lebenshilfe vermacht hat, wird damit ignoriert.

Und bezahlen soll für das Ganze niemand von denen, die an der Sache Schuld sind. Nein, die Bürger sollen dafür spenden. Spenden für ein nachgemachtes Glockenspiel, das irgendwo versteckt wird. Und das soll eine gute Lösung sein? Das kann doch niemand als Erfolg verkaufen. Außer vielleicht der neue Immobilieneigentümer: Der ist die Glocken dann jedenfalls los, die er ja wohl nicht haben wollte.

Mir persönlich tut es übrigens weniger Leid um das Läuten in der Innenstadt. Umso mehr trauere ich aber um den Anblick der alten Fassade mitsamt dem Glockenspiel als Ensemble. Jetzt verfügt der Bau über den einladenden Charme eines Gefängniszellenblocks.

Die Immobilie erzählte mal von Persönlichkeiten, die etwas zu hinterlassen hatten, und Ideen, die Zeiten überdauert haben. Selbst, wenn man alles exakt rekonstruieren würde, hätte die unrühmliche Episode der Zerstörung dem Flair geschadet. Wenn nun aber bloß die Fassade irgendwie mit der Gestaltungssatzung in Einklang gebracht wird – was auch immer das heißt – und das Glockenspiel verbannt wird, dann ist nichts mehr davon da.

Wenn wir ganz großes Pech haben, landen die Glocken am Ende am Museum Voswinckelshof. Da haben sie dann nichts mehr mit dem zu tun, was sie mal waren, nämlich ein Schmuckstück mitten im Alltag. Dann sind das nur noch irgendwelche nachgemachten Glocken, die halt irgendwo hängen. Genau so gut könnte man ein beliebiges Kunstwerk nachbauen und dort aufstellen: Sieht vielleicht ganz nett aus, hat an dieser Stelle aber nun mal keine echte Bedeutung.

Dass das Ganze auch noch als „Crowdfunding“-Projekt umgesetzt werden soll, also mit Spenden von Bürgern, ist das i-Tüpfelchen. Die Lebenshilfe hat’s verbockt. Sie hat das alte Haus verkauft, ohne den Erhalt des Glockenspiels in den Kaufvertrag zu schreiben. Wenn überhaupt, dann soll sie jetzt ein Neues anschaffen. Und es an seinen alten Platz hängen, und nirgendwohin sonst.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

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sina.zehrfeld@rheinische-post.de

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