Religion in Dinslaken Raus aus der Kirche, rein in die Kirche

Dinslaken/Voerde/Hünxe · Kirchenaustritte haben enorm zugenommen. Auch in Dinslaken, Voerde und Hünxe. Doch wie funktioniert das eigentlich, wenn man austreten will? Und wie läuft es, wenn ich den Schritt rückgängig machen möchte?

 Wer den Antrag auf Kirchenaustritt stellt, tritt genaugenommen nur aus der Kirchensteuer-Gemeinschaft aus.

Wer den Antrag auf Kirchenaustritt stellt, tritt genaugenommen nur aus der Kirchensteuer-Gemeinschaft aus.

Foto: dpa-tmn/Ingo Wagner

Es ist längst keine Neuigkeit mehr, dass die Menschen der Kirche in Scharen den Rücken kehren. Das ist in Dinslaken und Voerde nicht anders. Auch hier hat die Zahl der Kirchenaustritte stark zugenommen. Skandale rund um den von Kirchenverantwortlichen verübten sexuellen Kindesmissbrauch sowie die fehlende Bereitschaft, diesen rückhaltlos und zügig aufzuklären, haben der Kirche enormen Schaden zugefügt. In Nordrhein-Westfalen sind nach Angaben des Justizministeriums im vergangenen Jahr so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten wie nie zuvor. 155.322 waren es und damit etwa 35.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Eine Aufschlüsselung nach Konfessionen lässt sich aus den Zahlen nicht ablesen. Aber ein Trend: Die Kirche steckt in der Krise. Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen mit dem Gedanken spielen, sich von der Kirche auch ganz formell abzuwenden.

Wohin muss ich gehen, wenn ich austreten will? Viele stellen sich die Frage, bei wem ein solcher Kirchenaustritt eigentlich beantragt werden muss. Die Erklärung für den Austritt aus der Kirche muss in schriftlicher Form persönlich beim Amtsgericht abgegeben werden, in der hiesigen Region also beim Amtsgericht Dinslaken. Alternativ dazu kann der Austritt auch bei einem Notar in öffentlich beglaubigter Form erfolgen. Übrigens ist längst nicht in allen Bundesländern das Amtsgericht zuständig. Dies ist außer in Nordrhein-Westfalen lediglich noch in Berlin, Brandenburg und Hessen der Fall. In allen übrigen Bundesländern sind die Standesämter zuständig.

Wie hoch sind die Kosten? Auch bei den Kosten gibt es bundesweit Unterschiede, die von kostenlos bis 60 Euro variieren. In Nordrhein-Westfalen werden 30 Euro Gebühr für den Kirchenaustritt fällig.

Welche Unterlagen brauche ich? Einige Unterlagen und Informationen sollte man zur Hand haben, wenn es zum Amtsgericht geht. Da wäre zunächst ein gültiger Personalausweis oder ein Reisepass in Verbindung mit einer aktuellen Meldebescheinigung. Mitgeteilt werden sollte außerdem die eindeutige Bezeichnung der Kirche, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft, aus der man austreten möchte. Falls bekannt, kann auch der Ort und die Kirchengemeinde der Taufe angegeben werden.

Welche Unterschiede gibt es beim Austrittsalter? Einige Besonderheiten gibt es beim Kirchenaustritt von Kindern und Jugendlichen. Bei Kindern unter zwölf Jahren können ausschließlich die gesetzlichen Vertreter den Austritt veranlassen, und zwar auch ohne Zustimmung ihrer Kinder. Anders liegt der Fall bei den Zwölf- bis 14-Jährigen. Dort ist zwar ebenfalls die Erklärung durch den gesetzlichen Vertreter notwendig. Allerdings bedarf es der Zustimmung des Kindes. Gegen den Willen des Kindes kann der Kirchenaustritt nicht erklärt werden. Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr können minderjährige Jugendliche selbst und ohne Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters aus der Kirche austreten.

Wie läuft das mit der Kirchensteuer? Zunächst einmal hat der deutsche Staat nach dem Austritt keinen Anspruch mehr auf Kirchensteuern. Wer aus der Kirche ausgetreten ist, erhält eine Bescheinigung, die aufbewahrt werden sollte. Denn in den Registern ist der Austritt nur für zehn Jahre gespeichert. Wer danach vom Staat aufgefordert wird, seinen Austritt nachzuweisen und dies nicht kann, muss mit einer Nachzahlung von Kirchensteuern rechnen. Die Amtsgerichte teilen den Stadt- und Gemeindeverwaltungen die jeweiligen Austritte mit. Die wiederum übersenden die Daten elektronisch an die Finanzverwaltungen zur Änderung der persönlichen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Wer es ganz genau wissen will, wie viel Geld er künftig durch den Wegfall der Kirchensteuer spart, für den gibt‘s im Internet den Kirchensteuer-Rechner. Aktuell beträgt der Kirchensteuersatz in Nordrhein-Westfalen neun Prozent der Einkommenssteuer.

Welche weiteren Folgen hat der Austritt? Berufstätige, deren Arbeitgeber einer Glaubensgemeinschaft angehören, müssen mit der Beendigung des Dienstverhältnisses rechnen, da dieses häufig an eine kirchliche Mitgliedschaft gebunden ist. Für Schüler entfällt die Pflicht zur Teilnahme am Religionsunterricht. Unterschiede bei der Anerkennung der Austritte gibt es zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Während die evangelische Kirche den Austritt anerkennt, tut die katholische Kirche dies nicht. Hierzu Wilhelm Kolks, Dechant im Dekanat Dinslaken und Pastor in der Pfarrei St. Peter und Paul Voerde: „Wer austritt, wird nicht komplett aus der Kirche ausgeschlossen. Denn getauft ist er ja nach wie vor. Auch eine Heirat in der Kirche ist dann nach wie vor möglich.“

Wie reagiert die Kirche auf den Austritt? Auch hierzu Pastor Kolks: „Wir schreiben jeden Ausgetretenen an. Leider erhalten wir nur von jedem Zehnten eine Rückmeldung. Und hin und wieder kommt es auch schon mal zu Gesprächen, in denen wir dann über die Gründe des Austritts sprechen.“ Auch Bartholomäus Kalscheur, Leitender Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde St. Vincentius in Dinslaken, hat die Erfahrung gemacht, dass „von unseren Anschreiben auch schon mal etwas zurückgekommen ist und sich daraus dann gute Gespräche entwickelt haben“.

Wie komme ich zurück in die Kirche? Im Gegensatz zum Austritt führt beim Wiedereintritt der Weg zuerst zur Kirchengemeinde. „Wir führen dann ein Gespräch, in dem es hauptsächlich um Motivation und glaubensgeschichtliche Dinge geht. Grundsätzlich bin ich natürlich froh um jeden, der wieder eintreten möchte“, sagt Wilhelm Kolks, der dann auch das Prozedere der Wiederaufnahme erklärt: Der „Rückkehrer“ gibt vor einem Priester und zwei Zeugen an, dass er den Austritt bereut, betet das Glaubensbekenntnis und wird per Handschlag wieder aufgenommen.
Amtlich wird der Wiedereintritt in die Kirche durch die Mitteilung der Kirchengemeinde an das Einwohnmeldeamt. Von dort gehen die Daten weiter an die zuständigen Finanzämter.

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