Interview Ludger Ochtrop Kirche gibt dem Leben einen Sinn

Dinslaken · Der 47-jährige Bezirksschornsteinfeger ist Vorsitzender des Pfarreirates von Sankt Peter und Paul in Voerde. Er engagiert sich für die katholische Gemeinde, weil er dort am besten seinen Glauben leben kann.

 Ludger Ochtrop, Vorsitzender des Pfarreirats der katholischen Kirchengemeinde Sankt Peter und Paul in Voerde, glaubt, dass die Botschaft Jesus heute genauso aktuell ist wie vor 2000 Jahren.

Ludger Ochtrop, Vorsitzender des Pfarreirats der katholischen Kirchengemeinde Sankt Peter und Paul in Voerde, glaubt, dass die Botschaft Jesus heute genauso aktuell ist wie vor 2000 Jahren.

Foto: Martin Büttner

Herr Ochtrop, Sie sind praktizierender Katholik und in ihrer Heimatgemeinde Sankt Paulus fest verwurzelt. Sie gehören dem Pfarreirat von Sankt Peter und Paul in Voerde an. Was sind die Aufgaben dieses Gremiums?

Ochtrop Das sind ähnliche Aufgaben wie sie früher dem Pfarrgemeinderat oblagen. Dieses Gremium war für eine Kirchengemeinde zuständig, jetzt bilden die drei katholischen Gemeinden in Voerde eine Pfarrei: Sankt Peter und Paul. Diese sollen so lange wie es geht eigenständig sein. Wo es Sinn macht, sollen sie zusammenarbeiten. Diese Koordinierung übernimmt der Pfarreirat. Jede Gemeinde hat einen Gemeindeausschuss, dort geht es dann um den jeweiligen Kirchturm, um das Leben vor Ort. Momentan erstellen wir im Pfarreirat den lokalen Pastoralplan. Das Bistum Münster hat vor einigen Jahren einen Pastoralplan erstellt und eine Struktur vorgegeben, nach der die Pfarrgemeinden fusionieren müssen. Aufgrund dessen macht es Sinn zu gucken, wie die Struktur vor Ort aussieht, wie sich die Gemeinde zusammensetzt, was benötigt wird. Wir müssen festlegen, was wir machen und wo wir Schwerpunkte setzten wollen. Dies geschieht momentan.

Seit dem vergangenen Jahr sind Sie Pfarreiratsvorsitzender, nachdem die Fusion von Sankt Maria - Königin des Friedens, Sankt Peter und Sankt Elisabeth vollzogen worden ist. Dieses Amt haben Sie in einer schwierigen Zeit übernommen. Aus drei Gemeinden ist eine große Pfarrei entstanden. Die Zahl der Katholiken nimmt ab, auch die Zahl der Priester sinkt. Wie lässt es sich unter diesen Umständen arbeiten?

Ochtrop Dadurch, dass wir früh damit angefangen haben, diesen Prozess positiv zu gestalten und schon vor Jahren ein Gremium geschaffen haben, in dem die Vorstände der Pfarrgemeinderäte zusammenarbeiten, haben wir rechtzeitig bestimmte Dinge abgesprochen und die Weichen für die Zukunft gestellt. Eine Fusion ist ja immer eher negativ belastet, es wird Geld eingespart und Personal abgebaut. Wir haben eine harmonische und offene Atmosphäre geschaffen. Das hat dazu geführt, dass die Gremien keine Angst vor der Zusammenlegung hatten. Wir wollen das kirchliche Leben vor Ort erhalten. Diese Erkenntnis ist in die einzelnen Gemeinden übergeschwappt und hat dort sehr viel Vertrauen geschaffen. Dadurch konnten mögliche Ängste, dass alles zentralisiert wird, die Gläubigen keine Kirche mehr vor Ort, keine Anlaufstelle und auch kein Pfarrbüro mehr haben, weitgehend abgebaut werden. Es sind alle sehr offen für das Miteinander und bemühen sich, nicht nur an den eigenen Kirchturm zu denken, sondern das Gesamte nicht aus dem Blick zu verlieren.

Muss nun eine Identität für die neu entstandene Gesamtpfarrei geschaffen werden?

Ochtrop Im lokalen Pastoralplan werden wir die Ziele für die nächsten Jahre festlegen. Damit wird es aber auch das geben, was es in der Kirche bislang eben nicht gab: eine Erfolgskontrolle. Da wir unsere Ziele festschreiben, kann man uns auch daran messen, ob wir diese erreicht haben, wenngleich diese Ziele sich im Laufe der Zeit natürlich ändern können. Fakt ist: es gibt immer weniger Priester. Die Priestersituation ist uns vom Bistum Münster nur bis 2020 garantiert worden, was dann kommt, das weiß man nicht. Auch die Zahl der Gläubigen ist rückläufig. Die Gemeinden werden kleiner. Man hat aber selber noch den Anspruch, alles, was früher gemacht worden ist, aufrechtzuerhalten - beispielsweise die Senioren besuchen, sich um Neuzugezogene kümmern. Aber das geht so nicht weiter, denn es werden immer weniger Gemeindemitglieder, die diese Aufgaben übernehmen können. Die Arbeit wird daher auf immer weniger Schultern verteilt. Damit werden dann auch Gläubige möglicherweise überlastet. Und dann schmeißen sie irgendwann ganz hin - das ist die große Gefahr.

Wird in der Kirche das Ehrenamt zunehmend an Bedeutung gewinnen?

Ochtrop Das Ehrenamt hatte und hat auch weiterhin in der Kirche immer eine große Bedeutung. Ich denke schon, dass sie zunehmen wird. Um einem Priester zu ermöglichen, sich um die Seelsorge zu kümmern, werden immer Ehrenamtliche benötigt. Insgesamt gesehen, werden es auf lange Sicht wohl zu wenigeEngagierte sein. Mittlerweile geht die Entwicklung schon dahin, dass man sagt, wir können als Ehrenamtliche nicht so weitermachen wie bisher.

Zu welchen Konsequenzen führt diese Entwicklung?

Ochtrop Unsere Pfarrei hat jetzt eine Verbundleitung für die Kindergärten eingestellt. Früher mussten sich vier Kindergartenleiterinnen um alles kümmern und sich in die Rechtslage einarbeiten, das ist jetzt etwas zentralisiert worden. Demnächst soll ein Beauftragter eingestellt werden, der die Rechnungen und alles kontrolliert, damit der Kirchenvorstand und der Pfarrer nicht schon mit diesen Verwaltungsarbeiten ausgelastet sind. Es gilt dafür zu sorgen, dass ein Pastor sich um die Gemeinde, um Kranke kümmern kann, um die, die in Not sind, und nicht nur um die Verwaltung. In dem Punkt können Ehrenamtliche dem Priester viel abnehmen.

Was hat Sie bewogen, sich so intensiv in der katholischen Kirche, in Ihrer Kirchengemeinde und und nun in der Pfarrei zu engagieren?

Ochtrop Meine Eltern waren immer schon in der Kirche aktiv, in den Vereinen KAB und kfd. Ich war Messdiener und bin dann über die Jugendarbeit reingerutscht. Nach und nach habe ich mehr Aufgaben übernommen. Natürlich muss man auch dahinter stehen und versuchen, den Glauben ein Stück zu leben, etwas für die Gemeinschaft und das Miteinander zu tun. Damit hat man schon Aufgaben genug.

Bleibt da noch Zeit für etwas anderes? Ihr kirchliches Engagement scheint fast einem Vollzeitjob zu entsprechen.

Ochtrop Es ist viel Arbeit, aber es bleibt noch Zeit für anderes. Zudem bereitet mir diese Aufgabe viel Spaß, sonst würde ich es nicht machen.

Wie lange engagieren sich schon in ihrer Gemeinde?

Ochtrop Seit 1989, damals im Pfarrgemeinderat.

Die Zeiten, da katholische und evangelische Kirche von sich sagen konnten, Volkskirche zu sein, scheinen vorbei zu sein. Würden Sie dieser Feststellung beipflichten?

Ochtrop Die Volkskirche in diesem Sinne ist tot. Vielleicht ist es dadurch aber auch ehrlicher geworden. Denn jetzt geht man nicht nur in die Kirche, weil alle im Dorf dorthin gehen und man auffallen würde, wenn man sich nicht in die Kirche sehen ließe. Jetzt geht man in die Kirche, weil man seinen Glauben leben will und einem dies wichtig ist.

Hat Kirche aus Ihrer Sicht dauerhaft eine Zukunft?

Ochtrop Ich glaube schon, denn es geht in erster Linie um das Evangelium, um die Botschaft von Jesus Christus. Und diese Botschaft ist genauso aktuell wie vor 2000 Jahren. Vielleicht wird sich die Sprache ändern, die Kirche wird sich in einigen Dingen sicherlich anpassen müssen, auch wenn ihr das schwerfällt, weil sie sich sonst zu stark von den Menschen entfernt. Eine Zukunft wird die Kirche haben, weil es einfach darum geht, dem Leben einen Sinn zu geben. Ich glaube an Gott, daran, dass es jemanden gibt, der dafür sorgt, dass alles da ist. Es ist doch auch wunderbar, dass Gott seinen Sohn auf die Welt geschickt hat, der Wunder getan hat, um uns zu erlösen. Ich glaube auch, dass nicht alles mit dem Tod zu Ende ist und dass es Vergebung gibt. Wir sind nicht nur zum Arbeiten auf der Welt, es gibt danach noch etwas Größeres. Das gibt Trost und Zuversicht.

Können Sie in drei oder vier Stichworten zusammenfassen, was Gott uns vorgelebt hat, was er uns sagen wollte?

Ochtrop Liebe, Gemeinschaft, Vergebung und Auferstehung.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE HEINZ SCHILD.

(RP)
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