Dinslaken/Voerde/Hünxe Kernaufgabe der Schule ist die Bildung

Dinslaken/Voerde/Hünxe · Der Tweet einer Kölner Schülerin schlägt bundesweit hohe Wellen. Schulleiter weisen die Kritik von sich.

 Klaus Ginter verfolgte die Diskussion mit Interesse.

Klaus Ginter verfolgte die Diskussion mit Interesse.

Foto: rp-archivfotos (3)

Diesen Satz hat wahrscheinlich jeder schon einmal in seinem Leben entweder von den Eltern oder einem Lehrer gehört: "Du lernst nicht für die Schule, sondern für das Leben." Nach dem Tweet einer 17-jährigen Kölnerin "Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen" ist eine Diskussion aufgekommen, ob unsere Schüler wahrhaftig für das Leben lernen. Die Jugendliche mit dem Twitter-Namen Naina findet das jedenfalls nicht und beklagt sich im Internet und mittlerweile auch bei Fernsehauftritten darüber, dass an ihrer Schule die Vermittlung der Alltagstauglichkeit zu kurz kommt.

 Gerd Kube glaubt, dass die Kölnerin falsch liegt.

Gerd Kube glaubt, dass die Kölnerin falsch liegt.

Foto: Büttner, Martin (m-b)

Für die Kritik am deutschen Schulsystem erhält die Kölnerin in den sozialen Netzwerken große Zustimmung, doch Gerd Kube glaubt, dass sie damit falsch liegt. Wie der Schulleiter des Gymnasiums Voerde berichtet, wurde über den deutschlandweit berühmt gewordenen Tweet mit aller Ernsthaftigkeit im Kollegium diskutiert und es kam zu der Auffassung, dass die geforderte Vermittlung von Alltagswissen nichts mit Bildung zu tun habe. "Es sollte doch eher die Aufgabe des Elternhauses und nicht der Schule sein, so etwas zu vermitteln. Wir sollten uns jetzt davor hüten, auch so etwas noch auf Zuruf in den Schulunterricht mit aufzunehmen", findet Kube. Um mit Zeit und Inhalten in der Schule zu einer Persönlichkeit heranzureifen, hält er anderes für wichtiger: "Es gibt ja Überlegungen, Latein zu streichen. Aber an meiner Schule bitte nicht, wenn stattdessen gelehrt wird, wie ich mir eine Wohnung miete."

Auch Thomas Nett vom Dinslakener Theodor-Heuss-Gymnasium hat sich mit dem kritischen Tweet beschäftigt. Der Schulleiter steht auf der Seite seines Voerder Kollegen und sieht die Familie, Eltern und Freunde in der Pflicht, Jugendliche auf Selbstständigkeit und die Übernahme von Verantwortung vorzubereiten: "Auch wenn es sich in der gesellschaftlichen Realität anders darstellt und dort nicht überall geschieht, sehen wir es als Schule nicht als unsere Kernaufgabe an. Wenn die Schule jetzt auch noch anfängt, auf das praktische Leben vorzubereiten, dann brauchen wir einen anderen Bildungsbegriff. Es wäre auch sehr schwierig, solche Sachen noch im Unterricht unterzubringen." Dass der Tweet vom vergangenen Samstag mittlerweile 15 000 Mal retweeted, 26 000 Mal favorisiert wurde und Naina 16 000 Twitter-Follower hat (Stand 16. Januar), verfolgte Schulleiter Klaus Ginter von der Hünxer Gesamtschule mit großem Interesse. In der Oberstufe findet der Unterricht für den Alltag zwar . nicht mehr statt, aber die Hünxer Schüler lernen in den Klassen 9 und 10 im Wirtschaftsunterricht Themen wie Haushaltskalkulation, Wohnungssuche, Verschuldung oder Gehaltsberechnungen kennen. Obwohl grundlegende Kenntnisse vermittelt werden, kann Ginter die Kölner Jugendliche auch verstehen: "Es gibt einen großen Kenntnisnachholbedarf und deshalb sind wir froh, dass wir gut aufgestellt sind und diesen im Gegensatz zu anderen Schulen anbieten können. Uns hilft dabei die Kooperation mit der Verbraucherzentrale, aber es ist natürlich auch der Auftrag der Eltern, ihre Kinder darauf vorzubereiten."

Es wird festgehalten: Für Lehrer ist die Schule dazu da, um zu bilden und nicht um auszubilden.

(gaa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort