Reportage Am Montag Karl May: Ein Mann für alle Fälle

Dinslaken · Blutsbrüderschaft, der Wilde Westen oder auch Orient und Naher Osten: Die Werke des bekannten Autoren sind für die Mitglieder des Dinslakener Karl-May-Stammtisches eine Fundgrube für die unterschiedlichsten Themen.

Dinslaken Im Restaurant Dorfbrunnen in Hiesfeld sitzen in einer Ecke des Lokals ein halbes Dutzend Menschen um einen Tisch. Vor ihnen liegen ausgebreitet Bücher von Karl May, die meisten davon mit dem bekannten grünen Einband versehen. In Rot sticht das Werk hervor, um das es an diesem Abend verstärkt gehen soll: "Von Bagdad nach Stambul". Denn der Dinslakener Karl-May-Stammtisch, dessen Mitglieder hier versammelt sind, beschäftigt sich mit dem Orient.

 Beim Dinslakener Karl-May-Stammtisch im Restaurant Hiesfelder Dorfbrunnen diskutierten Gerd Hardacker, Steffen Rinkefeil, Wolfgang Schmitz, Martina Lupberger und Eckehard Koch (v.l.) verschiedene Themen rund um den bekannten Autoren.

Beim Dinslakener Karl-May-Stammtisch im Restaurant Hiesfelder Dorfbrunnen diskutierten Gerd Hardacker, Steffen Rinkefeil, Wolfgang Schmitz, Martina Lupberger und Eckehard Koch (v.l.) verschiedene Themen rund um den bekannten Autoren.

Foto: Martin Büttner

Zumindest an diesem Abend. "Der Anlass dafür sind die Konflikte im Nahen Osten", erklärt Gerd Hardacker, der vor fast zehn Jahren den Stammtisch gründete. Wer bei der Nennung des Namens Karl May eher an den Wilden Westen, Winnetou und Old Shatterhand denkt, der liegt natürlich auch nicht verkehrt. Aber Karl May tobte sich literarisch auch in anderen Gegenden der Welt aus, eben auch im Orient. "Wer wirklich etwas über Muslime lernen möchte, der muss Karl May lesen", sagt Gerd Hardacker. "Der nächste Experte für den Nahen Osten nach ihm war Peter Scholl-Latour." In "Von Bagdad nach Stambul" beschreibt Karl May den Konflikt zwischen Sunniten und Shiiten und hat sich auch ansonsten viel mit den Muslimen befasst, etwa für Romane wie "Durch die Wüste". Dabei entspringt längst nicht alles der reinen Fantasie des Autors. "Karl May hat alles aus Quellen genommen und das meiste davon ist richtig dargestellt", erklärt Eckehard Koch, der regelmäßig aus Herne zum Stammtisch nach Dinslaken anreist.

Er gehört zu den Mitgliedern des Stammtischs, die auch der Karl-May-Gesellschaft angehören und sich forschend mit den Werken des Autors beschäftigen. Koch hat mit seinem Mitautoren Holger Kuße im Buch "Auch im Osten der Wilde Westen" die Beschreibung der russischen Eroberungen in Asien im Werk von Karl May analysiert. Gemeinsam mit Gerd Hardacker hat er auch zum Thema Blutsbruderschaft geforscht. Ein bekanntes Motiv in den Werken des Autors. "Viele glauben, Karl May hätte das erfunden. Dabei gab es die Idee der Blutsbrüderschaft bei sehr vielen Völkern - nur nicht bei den Indianern", erklärt Gerd Hardacker.

Doch beim Karl-May-Stammtisch geht es nicht nur um die Literatur des Autors und die darin enthaltenden Themen. Martina Lupberger aus Wesel war gerade bei den Karl-May-Festtagen in Radebeul und erzählt von ihren Erlebnissen dort. Die anderen Stammtischmitglieder fragen interessiert nach, was es dort zu sehen gab und auch Neues zu sehen gibt. Denn in Radebeul steht mit der Villa Shatterhand das letzte Wohngebäude des bekannten Autoren. "Es waren auch Indianer da, die gesungen und gesprochen haben. Das war sehr interessant", erzählt Martina Lupberger. "Sogar die haben in den Ausstellungen dort noch einiges über ihre eigene Geschichte herausgefunden", erklärt sie. Aber auch die jährlichen Karl-May-Festspiele in Elspe, die im Juni wieder starten, sind bei den Stammtischmitgliedern ein Thema. Dafür hat man mit Janis Günther einen Experten in der Gruppe. "Die Filme und Festspiele liegen mir mehr, als die Literatur", erklärt der 19-Jährige, der ebenfalls von Anfang an mit zum Stammtisch-Kreis gehört. "Mittlerweile gibt es immer weniger junge Menschen, die sich mit Karl May beschäftigen. Da ist unser Janis echt eine Ausnahme", sagt Gerd Hardacker.

Mittlerweile steuert der Stammtisch auf sein 100. Treffen zu. Dass den Mitgliedern die Themen ausgehen, ist allerdings nicht zu befürchten. So ist das Werk von Karl May in den letzten Jahren angewachsen. "Es waren mal 72 Bände und jetzt sind es mit Themenbänden, Briefwechseln und Prozessakten über 90", erklärt Gerd Hardacker. "Karl May schreibt immer noch", scherzt Wolfgang Schmitz, der regelmäßig aus Duisburg zum Stammtisch kommt. Es gibt also noch viel zu besprechen.

(RP)
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