Dinslaken "Jede Überfahrt ist anders"

Dinslaken · Dirk Nowakowski befördert seit sechs Jahren Berufspendler und Ausflügler. Er ist der Kapitän der Fähre "Glück auf", die auf dem Rhein zwischen Walsum und Orsoy pendelt und zwischen fünf und acht Minuten für eine Tour benötigt.

Eigentlich fährt er nur hin und her. Mal hat er den Kirchturm des linksrheinischen Orsoy im Blick, mal die Industriekulisse des Duisburger Nordens: Kraftwerk, Papierfabrik und die Fördertürme der stillgelegten Zeche Walsum. Und dann wieder Orsoy. Wird das nicht langweilig? "Auf keinen Fall", sagt Dirk Nowakowski. Seit sechs Jahren steuert er, unterstützt von vier Angestellten, die Fähre, die den Namen "Glück auf" trägt, mit maximal neun Stundenkilometern in fünf bis acht Minuten über den Rhein. "Jede Überfahrt ist anders", versichert Nowakowski und erklärt, dass der reguläre Schiffsverkehr Vorfahrt hat und er mit den Schiffsführern per Funk verhandelt, ob sie ihn passieren lassen.

Viele Berufspendler

Die Passagiere, die Nowakowski befördert, sind in der Woche vor allem Berufspendler. Viele Stammgäste sind dabei. Autofahrer sparen sich so 30 Kilometer Umweg über die Autobahnbrücke. 300 Autos setzen Tag für Tag mit der "Glück auf" über den Fluss. Hinzu kommen an den Wochenenden ungezählte Fahrradfahrer auf Ausflugstour an den Niederrhein.

Früher wurden hin und wieder auch Schafherden transportiert. "Aber das machen wir nicht mehr", erklärt der 39-Jährige. "Die haben immer alles zugeschissen." Zu anderen Extras ist er nach wie vor bereit, versorgt schon mal Schubschiffe mit Proviant oder bringt den Notarzt an Bord. Seit 1958 pendelt die Fähre zwischen den Ufern.

Heinz Zimmer, Nowakowskis Vorgänger und ihm als Stiefvater familiär verbunden, hat seit 1965 auf der Fähre gearbeitet, zunächst als Matrose, dann als Pächter und schließlich als Eigentümer. "Die Bergwerksgesellschaft Walsum hat das Schiff bauen lassen", erinnert er sich. "Die wollten auf der linken Rheinseite einen Schacht abteufen. Als das nichts gab, haben sie die Fähre verkauft." Vier Jahrzehnte hat Zimmer den Fährdienst versehen. "40 Jahre nur gekrückt und gemacht, von morgens fünf bis abends sechs, sieben Uhr. Samstag und Sonntag habe ich auch immer auf der Fähre gestanden." Urlaub? "Ab und zu mal drei, vier Tage."

Den Humor hat es ihm in all den Jahren dennoch nicht verschlagen. "Früher haben wir uns oft verfahren. Da wussten wir nicht mehr, wo wir waren. Und deswegen haben wir zur Orientierung das Ding da hingesetzt," grinst der fast 74-Jährige und deutet auf den 180 Meter hohen neuen Kühlturm des Steag-Kraftwerks.

60 Tonnen kann die Fähre mit ihren drei je 80 PS starken Motoren bewegen. Durch einen speziellen Antrieb ist sie außergewöhnlich wendig. Wenn es die Situation erfordert, dreht sie auf der Stelle Pirouetten. Und sie ist zuverlässig. "Mit einem Tiefgang von höchstens einem Meter fahren wir bei jedem Wasserstand", betont Dirk Nowakowski. Für Nowakowskis Kundschaft rechnet sich die kurze Schiffspassage über den Rhein. So muss sich der Fährmann eigentlich keine Sorgen um seinen Traumjob machen. Nur manche Vorschrift ärgert ihn. Die EU will jetzt, dass er für viel Geld 250 Rettungswesten anschafft. Da kann er nur den Kopf schütteln, denn "bis ich im sehr unwahrscheinlichen Notfall die Westen verteilt habe, bin ich schon dreimal an Land."

Wie es aussieht, wird die "Glück auf" noch lange von Walsum nach Orsoy und wieder retour fahren. Nicht nur, weil das Schiff tipptop in Schuss ist, sondern auch, weil bereits die nächste Fährmannsgeneration in Sicht ist. "Sohnemann ist jetzt 11 und hat schon vor fünf Jahren mit dem Opa die Fähre gefahren", erzählt der Vater stolz. "Er hilft schon mal mit und würde am liebsten sofort hier anfangen."

(RP)
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