Dinslaken Fräulein Hedys Traum vom Fliegen

Dinslaken hat einen idyllischen Lesegarten an der Stadtinformation. Die Rheinische Post spricht dort mit Menschen darüber, was sie gerade lesen: diesmal mit Volkshochschulleiter Werner Schenzer.

 Werner Schenzer liest „Fräulein Hedy träumt vom Fliegen“ von Andreas Izquierdo.

Werner Schenzer liest „Fräulein Hedy träumt vom Fliegen“ von Andreas Izquierdo.

Foto: mb/Martin Büttner

Herr Schenzer, welche Lektüre haben Sie mitgebracht?

Werner Schenzer Ich habe von Andreas Izquierdo „Fräulein Hedy träumt vom Fliegen“, als Taschenbuch im Insel-Verlag erschienen, mitgebracht. Der Autor hat schon Eifel-Regionalkrimis geschrieben und in diesem Jahr nun dieses Buch veröffentlicht.

Worum geht’s in dem Buch?

Schenzer In dem Buch geht es um die beiden Hauptfiguren Fräulein Hedy und Jan. Fräulein Hedy ist eine wohlhabende Mäzenin, die über ihre Stiftung einflussreich und resolut, das lokale und kulturelle Geschehen in einem Ort mitbestimmt. Sie ist auf amüsante Art meinungsstark, wehrhaft und entschlussfreudig. Mit 88 Jahren lernt sie wegen altersbedingter Zipperlein den jungen Physiotherapeuten Jan kennen. Jan ist Analphabet, hat aber dennoch mit viel Einsatz eine Ausbildung absolviert. Fräulein Hedy, die normalerweise mit ihrer Stiftung hochbegabten jungen Künstlern und Wissenschaftlern Förderstipendien finanziert, nimmt Jan unter ihre Fittiche: Jan soll Lesen, Schreiben und nicht ohne gewisse Hintergedanken auch das Autofahren lernen.

Wie entwickelt sich das weiter?

Schenzer Die Aufnahme von Jan in den Stipendiatenkreis stößt bei den anderen Stiftungsvorständen nicht unbedingt auf Gegenliebe. Und auch ansonsten sorgt Fräulein Hedy durch eine unkonventionelle Zeitungsanzeige im Ort für einigen Klatsch und Tratsch.

Bevor Sie zu viel vom Inhalt verraten, warum haben Sie das Buch so gern gelesen?

Schenzer Die Faszination, die von diesem Buch ausgeht, ist die Botschaft: „Verfolge Deine Träume!“ Engagiere Dich! Verlass Dich nicht nur auf andere, sondern gehe mit vollem Elan deinen Ideen nach. Frage nicht immer um Erlaubnis, sondern versuche, diese Pläne zu realisieren, auch wenn unweigerlich Rückschläge und tragische Ereignisse dich zurückwerfen werden.

Hat Fräulein Hedy denn ihre Träume auch schon verwirklicht, bevor sie Jan kennengelernt hat?

Schenzer Zweifellos. Im Laufe der Handlung lernen wir die spannende Lebensgeschichte von Fräulein Hedy und ihrer Familie kennen: Über das Berlin der 20er Jahre, das Leben auf einem ostpreußischen Gut in den 30er/40er Jahren und wie es Hedy gelingt ihren Flugschein zu machen. Der Autor hatte da wohl manche historische Person im Auge.

Die Flugpionierin Elly Beinhorn?

Schenzer Genau. Elly Beinhorn war in den 30er Jahren wegen Ihrer Rekordflüge weltweit ein absoluter Star und ist auch im Buch das große Vorbild der jungen Hedy. Mit dem Fluglehrer Uhse, taucht am Rande der Handlung auch der Ehemann der damaligen Werkspilotin Beate Uhse auf. Oder denken Sie an Hanna Reitsch oder Melitta von Staufenberg. Alles erfolgreiche Fliegerinnen, die entgegen der damaligen Konvention ihren Traum vom Fliegen durchsetzen konnten.

Von Hedy haben Sie jetzt viel erzählt, Jan scheint aber doch wohl auch eine ganz besondere Figur zu sein. Jemand, der, obwohl er Analphabet ist, eine Ausbildung absolviert, muss doch gerade für jemanden, der wie Sie in der Erwachsenenbildung arbeitet, höchst interessant sein.

Schenzer Sagen wir mal so, Fräulein Hedy ist keine geborene Pädagogin, aber sie hat einen Plan. Jan kann einem zwischendurch schon ziemlich leid tun, denn er ist Hedys resolutem Engagement ziemlich ausgesetzt. Ein solcher Druck steigert natürlich nicht unbedingt den Lernerfolg. Aber letzten Endes hilft sie Jan ein familiär bedingtes Entwicklungshemmnis abzulegen.

Die Konstellation klingt schwierig und bedeutungsschwer, merkt man das dem Buch an?

Schenzer Nein, das Buch ist von der ersten Zeile an sehr amüsant und spannend geschrieben. Es handelt sich um ein rundum positives Buch, das den Leser wegen Fräulein Hedys selbstbewusster Art zum Schmunzeln bringt.

Sie könnten „Fräulein Hedy träumt vom Fliegen“ also uneingeschränkt als Sommerlektüre empfehlen?

Schenzer Auf jeden Fall. Dieses Buch wird den Leserinnen und Lesern gefallen, die sich darüber freuen, wenn ihre Heldinnen und Helden ihren Träumen nahekommen. Und an Fräulein Hedy wird bestimmt auch der eine oder andere ältere Leser Gefallen finden, der mit zunehmendem Alter erlebt, wie viel Energie es kostet, sich im normalen Alltagsleben noch Gehör zu verschaffen.

(jöw)
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