Landleben, Eigenheime, Pendler und schlechter ÖPNV Hünxe, das Auto-Dorf

In der Gemeinde Hünxe ist die Bevölkerung statistisch betrachtet relativ wohlhabend, auch relativ alt, mit relativ vielen Pendlern. Eine Konstellation, die ihr immer mal wieder auf Spitzenplätze hilft. Diesmal ist das bei der Zahl der Autos so.

 Hünxe ist ländlich und ziemlich idyllisch. Trotzdem oder vielmehr deswegen gibt es hier landesweit die meisten Autos auf 1000 Einwohner.

Hünxe ist ländlich und ziemlich idyllisch. Trotzdem oder vielmehr deswegen gibt es hier landesweit die meisten Autos auf 1000 Einwohner.

Foto: Martin Büttner

In Hünxe kamen Anfang 2018 auf 1000 Einwohner 710 angemeldete Autos. Damit besetzt die Gemeinde den Spitzenplatz im Land: Laut Statistik ist Hünxe die Pkw-reichste Kommune in ganz Nordrhein-Westfalen. Hünxe, das „Auto-Dorf“.

Nicht unbedingt ein Titel, den eine Kommune sich aufs Ortsschild drucken würde. Die Erklärung liegt im Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Dazu gehört das Landleben: Auf dem Land gibt es generell mehr Autos als in der Stadt, dafür sorgen weitere Wege und lückenhafter Öffentlicher Nahverkehr. Und dieser wiederum ist in Hünxe wirklich unerfreulich, wie Klaus Stratenwerth von der Gemeinde Hünxe erklärt.

„Die ÖPNV-Anbindung ist bei uns nicht die beste, machen wir uns nichts vor“, sagt er. Die Politik wünscht sich Busse, die später am Abend noch fahren, bessere Taktung, einheitliche Fahrpreise, „benutzerorientierte“ Linienführung. Aber die Umsetzung kann sie nicht erzwingen, das liegt beim Verkehrsbetrieb Niag. „Wir würden uns eine bessere Anbindung wünschen. Wir sehen aber, dass wir die nicht unbedingt kriegen“, fasst Stratenwerth zusammen.

So schlecht die Busverbindungen sind, so exzellent ist die Autobahnanbindung. Die Gemeinde gehört noch zum „Speckgürtel“ des Ruhrgebietes, es gibt eine Menge Berufspendler. „Viele ziehen auch deswegen hierhin, weil sie relativ schnell auf der Autobahn sind“, so Klaus Stratenwerth.

Nicht zuletzt können sich auch mehr Leute als anderswo ihre Autos gut leisten. „Wir haben in Hünxe eine relativ gute Einkommensstruktur. Und da kann es sein, dass Leute auch einen Zweit- oder Drittwagen haben“, vermutet Klaus Strathenwerth. „Ich weiß auch nicht, wie viele Oldtimer hier herumfahren – und die zählen ja auch mit.“

Dass die Hünxer Bürger statistisch betrachtet recht wohlhabend sind, macht sich auch auf anderen Feldern bemerkbar. Zum Beispiel bei den erhobenen Kindergartenbeiträgen: Da liegt Hünxe im Kreis Wesel auch immer im oberen Bereich. Bis vor fünf Jahren hatte man auch noch die kreisweit höchste Dichte an Einkommensmillionären. 2015 wurde man dabei allerdings von Dinslaken überholt; neuere Zahlen gibt es noch nicht.

Der nächste Faktor ist die Altersstruktur. „Wir haben einen relativ hohen Anteil älterer Bürger“, erklärt Klaus Stratenwerth. „Wir waren auch mal Spitzenreiter bei den wenigsten Geburten in NRW pro 1000 Einwohner.“ Damit können bestimmte Entwicklungen an Hünxe vorbeigehen. Zum Beispiel, dass jüngere Leute weniger Wert darauf leben, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Nicht zuletzt gibt es eine Siedlungsstruktur mit verhältnismäßig vielen Einfamilienhäusern. Das bedeutet: Da ist einfach mehr Platz für Autos dank Garagen und ruhiger Wohnstraßen, anders als in städtischen Bereichen.

Wollte man die Auto-Dichte ausdünnen, dann ginge das wohl am ehesten über besseren öffentlichen Nahverkehr, meint man bei der Gemeinde. „Wenn wir keinen gescheiten ÖPNV haben, steigt keiner vom Auto auf Bus und Bahn um“, ist Klaus Stratenwerth überzeugt: „Um gegenzusteuern, muss man da Anreize setzen.“

Diskutiert wird auch über Car-Sharing-Modelle: „Wir loten im Moment aus, ob wir uns da engagieren können.“ Im September hat der Rat zudem beschlossen, dass „mit hoher Priorität die Förderung des Radverkehrs und der Nahmobilität“ verfolgt werden soll. Es geht auch um „Radschnellverbindungen“, also den Bau komfortabler Routen für Radler.

Einige andere Kommunen in der Region stehen, wenn auch nicht an der Spitze, so doch prinzipiell vor einer ähnlichen Situation. Schermbeck etwa kommt auf 680 Autos pro 1000 Einwohner, Alpen auf 696. In Nuancen kann sich die Situation zudem verändert haben.

Die vorliegenden Zahlen stammen zwar aus der druckfrischen Broschüre „Mobilität in Nordrhein-Westfalen“ des Landes NRW, aber sie wurden bereits im Januar 2018 erhoben. Hünxe könnte also schon durchaus rechts überholt worden sein.

Vielleicht von Sternwede im Kreis Minden-Lübbecke: Da zählte man nämlich 709 Pkw pro 1000 Leute. Ebensogut könnte Hünxe seinen Vorsprung natürlich auch ausgebaut haben.

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