Dinslaken Hassattacken gegen Dinslakener Lehrerin

Dinslaken · Wegen Morddrohungen, die sie wegen ihres neuen Buchs erhält, hat sich Lamya Kaddor beurlauben lassen. Ihre Kollegen sind bestürzt.

 Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (im Hintergrund) nahm im Juni an einer Unterrichtsstunde von Lamy Kaddor in der Dinslakener Sekundarschule teil und lobte den Unterricht anschließend in höchsten Tönen.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (im Hintergrund) nahm im Juni an einer Unterrichtsstunde von Lamy Kaddor in der Dinslakener Sekundarschule teil und lobte den Unterricht anschließend in höchsten Tönen.

Foto: Martin Büttner

Vor zwei Wochen ist ihr neues Buch erschienen. Lamya Kaddor beschäftigt sich darin mit der Frage, welche Rolle die Mehrheitsgesellschaft bei der Integration spielt und fordert, dass auch diese eine Bringschuld erfüllen müsse. Seitdem erhält sie eine Vielzahl von Hassmails und auch Morddrohungen. Aus Sicherheitsgründen hat sie sich deswegen von der zuständigen Bezirksregierung bis zum Sommer 2017 vom Dienst beurlauben lassen.

"Mit größter Bestürzung" hat das Kollegium der Friedrich-Althoff-Sekundarschule auf die Nachricht reagiert, dass sich Lamya Kaddor nach den Drohungen gegen sie gezwungen sieht, vorläufig nicht mehr an der Schule zu unterrichten. "Das macht uns alle sehr betroffen", sagte der stellvertretende Schulleiter Michael Rölver gestern der Rheinischen Post. Die Kollegin habe ihm einige der hasserfüllten Mails und Facebook-Posts gezeigt, die sie als Reaktion auf ihr neues Buch erhalten habe und "mir ist fast die Luft weggeblieben". Lamya Kaddor habe großen Anteil am hervorragenden interkulturellen Klima, das an der Schule herrsche.

Bei allem Verständnis für den Schritt der islamischen Religionspädagogin ärgert es Rölver dann auch sehr, "dass es solchen politischen Wirrköpfen mit ihren Drohungen gelingt, auf unser Schulprogramm Einfluss zu nehmen". An der Schule, die personell ohnehin nicht gut besetzt sei, sei die Fachkraft, die als einzige islamischen Religionsunterricht erteile, kaum zu ersetzen. Wieweit die Schüler schon von den Vorgängen um Lamya Kaddor erfahren haben, konnte Roelver gestern Vormittag noch nicht einschätzen. "Wir werden das aber auf jeden Fall mit ihnen besprechen", sagte er. Es sei wichtig, den Schülern klar zu machen, was Meinungsfreiheit bedeute und dass es Lamya Kaddors verbrieftes Recht sei, ihre Meinung zu sagen und zu schreiben, ohne dass sie Bedrohungen ausgesetzt werde.

"Aufs Schärfste" verurteilte gestern Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger die Drohungen gegen Lamya Kaddor. In Dinslaken sei man stolz darauf, in einer toleranten und offenen Bürgergesellschaft zu leben. Stadtsprecher Horst Dickhäuser erinnerte an den von allen Dinslakener Religionsgemeinschaften getragenen "Dinslakener Appell", der deutlich mache, dass diese Stadt für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft stehe.

Beängstigend findet Ali Kaya, Initor des Dinslakener Bündnisses gegen Rechts und SPD-Ratsvertreter, der mit Lamya Kaddor bei Projekten wie "Extrem out - gemeinsam gegen den Salafismus" zusammengearbeitet hat, die Hasstiraden gegen die Religionspädagogin. "Das macht mich sprachlos", sagte er der Rheinischen Post. Mit ihrem neuen Buch, mit dem sie ja auch in allen Medien sehr präsent sei, sei sie offenbar zum Feindbild der Rechten geworden. Kaya hofft, dass Lamya Kaddor ihre Arbeit an der Dinslakener Sekundarschule und an den von ihr betreuten Projekten möglichst schnell fortsetzen kann.

Auch auf ihrer Facebook-Seite erfährt Kaddor viel Zuspruch. Unter anderem schreibt Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann: "Es ist erschütternd, welch ein Klima rechte Scharfmacher mittlerweile erzeugt haben. Meine volle Solidarität gilt Lamya Kaddor."

Wie eine Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf gestern erklärte, lebt mit Beendigung der Beurlaubung das Beschäftigungsverhältnis wieder auf. Hierzu bedürfe es keiner weiteren Aktivitäten.

(RP)
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