Unsere Woche "Hätte, hätte, Fahrradkette" - fürs Poesiealbum der Politik

Dinslaken · Warum es Sinn hat, auch über Dinge nachzudenken, die sich nicht mehr ändern lassen und warum manche Sprüche allenfalls fürs Poesiealbum der Politik taugen.

Was haben Christoph Maria Herbst, Peer Steinbrück, die Neutor-Galerie in Dinslaken und Kaiser's Tengelmann gemeinsam. Nichts werden Sie sagen. Stimmt nicht. Mal abgesehen davon, dass der Schauspieler mal zum Ensemble der Burghofbühne gehört hat, hat er in seiner Comedy-Fernsehserie "Stromberg" gern mal den Spruch "Hätte, hätte, Fahrradkette" zum Besten gegeben. Das ist der Spruch, dem der Ex-SPD-Kanzlerkandidat dann zu einer gewissen Popularität verholfen hat, als er erklären sollte, wie's zu der Panne mit dem von einer Zeitarbeitsfirma "abgekupferten" Wahlkampfslogan "Das Wir entscheidet" kommen konnte. Und das ist auch der Spruch, der einem einfallen könnte, wenn jetzt über die Zukunft der Kaiser's-Filiale in Dinslakens Einkaufszentrum spekuliert wird. Eigentlich will der, der den sinnfreien Reim benutzt, die berechtigte Frage danach, was eigentlich schief gelaufen ist, abwehren, indem er darauf verweist, dass es wenig Taugen hat, sich über Dinge Gedanken zu machen, die sich ohnehin nicht mehr ändern lassen. Dabei kann das durchaus Sinn haben, wenn man aus diesem Nachdenken Lehren für die Zukunft ziehen kann. Und damit zur Frage. Wieso findet sich eigentlich ein Lebensmitteldiscounter im Einkaufszentrum? Weil er zur Attraktivitätssteigerung unverzichtbar in eine Einkaufsgalerie gehört? Weil sich alle großen Anbieter in diesem Segment darum gerissen haben, in die Neutor-Galerie einzuziehen? Nein, die Antwort ist eine ganz andere. Weil es damals die Dinslakener Politik unbedingt so wollte und es dem Investor gewissermaßen ins Pflichtenheft geschrieben hat, um die Nahversorgung speziell für ältere Bürger in der Innenstadt zu sichern. Und um dieses Ziel zu erreichen, haben Politik und Verwaltung etliche Verrenkungen vorgeführt.

Erinnert sei nur daran, wie sie auf durchaus umstrittene Weise verhindert haben, dass sich ein Supermarkt auf dem ehemaligen Gelde von Thyssen Bausysteme ansiedelt. Und nun? Die Zukunft der Kaiser's-Filiale ist noch nicht entschieden, aber höchst ungewiss, genauso ungewiss, wie die Frage, ob es dort auf mittlere Sicht einen Lebensmittelanbieter geben wird. Gewiss dagegen ist - gerade auch mit Blick auf das tatsächliche Nahversorgungsangebot in der Innenstadt - dass die von Anfang an bestehenden Zweifel an dem politischen "Ansiedlungsgebot" in der Neutor-Galerie durchaus ihre Berechtigung hatten.

Und was lehrt das? Dagegen, dass Politik Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln setzt, ist überhaupt nichts einzuwenden, problematisch wird es immer dann, wenn die Vorgaben so konkret werden wie in diesem Fall. Da hilft dann auch "Hätte, hätte, Fahrradkette" nicht wirklich weiter. Der Spruch taugt allenfalls fürs Poesiealbum der Politik.

Mal abgesehen von diesem Einzelbeispiel muss man Politik und Verwaltung allerdings durchaus zugestehen, dass sie gemeinsam in den vergangenen Jahren die* Entwicklung dieser Stadt spürbar vorangebracht haben. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der Beitrag, den private Investitionen an dieser Entwicklung gehabt haben. Leider hat sich noch nicht bei allen Eigentümern - die der Bohlenpassage gehören ganz offensichtlich dazu - herumgesprochen, dass der Mehrwert für alle dann am größten ist, wenn auch alle an einem Strang ziehen. Sehr bedauerlich.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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