Unsere Woche# Erinnerung an Rudi Carrells gesungenen Wetterbericht

Dinslaken · Warum Klimapolitik vor Ort beginnt, und warum das Ziele einer modernen Stadtentwicklung sein muss, dass sie Bedingungen schafft, die die Alternativen zum Auto attraktiver machen.

Das Strandbad am Tenderinssee kann alle Nase lang dicht machen, weil sich das Öffnen nicht lohnt, die Biergartenbetreiber klagen über spärlich tröpfelnde Einnahmen, der DIN-Service hat alle Hände voll zu tun, dem bei diesem Klima üppig sprießenden städtischem Grün Herr zu werden. Nee, schön ist er bislang nicht - der Sommer in diesen unseren Breiten. Zu kalt, zu nass, zu stürmisch und überhaupt . . .

Nun wird man lange darüber streiten können, ob's Sommerwetter früher denn tatsächlich besser war. Schließlich stellte Rudi Carrell schon 1975 in seinem auf die Melodie des Protestsongs von Steve Goodmann "City of New Orleans" gedichtetem gesungenen Wetterbericht die Frage "Wann wird's mal richtig Sommer?" Ob der Sommer 2017 schon untrügliches Anzeichen des Klimawandels ist, dürfte also umstritten bleiben. Fest steht allerdings, dass der Mensch das Klima beeinflusst - und wahrlich nicht zum Positiven. Und dass, das hat eine jüngst veröffentliche Umfrage ergeben, der Klimawandel das ist, was die Deutschen zurzeit am meisten fürchten. Interessiert's jemanden? Angesichts des Schauspiels, das Politik und Autoindustrie uns gerade im Umgang mit dem Diesel-Skandal bieten, müssen wir diese Frage eher mit Nein beantworten.

Viel Lamento, wenig konkretes Handeln.

Die B-Seite der Single - die Älteren werden sich erinnern, das waren diese kleinen schwarzen Scheiben mit Rillen, die man umdrehen musste, wenn man das zweite Lied hören wollte - auf der Rudi Carrell seinerzeit sein Liedchen veröffentlichte, trug übrigens den Titel "Heul nicht". "Tu was!" "Schnell!" möchte man ergänzend an die Adresse der Politik hinzufügen, auch wenn deren Mehrheit dazu offenbar nicht die notwendige Kraft aufzubringen vermag. Ist ja auch alles zugegebenermaßen nicht so einfach, wäre es doch mit in unserer immer noch aufs Auto fixierten Gesellschaft mit erheblichen Zumutungen für den Bürger verbunden. Nützt aber nichts.

An der Politik ist es, den notwendigen Bewusstseinswandel voranzutreiben. Und diese Aufgabe beginnt vor Ort. Bei der Stadtentwicklung. Nehmen wir Dinslaken. Die Stadt ist ein gutes Beispiel. Aufgrund ihrer recht begrenzten Flächenausdehnung ist sie eine Stadt der ziemlich kurzen Wege. Nicht ohne Grund findet sich im neuesten Nahverkehrsplan der Hinweis, dass die Ausweitung von Buslinien in Dinslaken schwierig ist, weil angesichts der kurzen Strecken die Menschen lieber mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen, statt auf den Bus zu warten. Dinslaken ist also ideal, um Autofahrer zum Umstieg aufs Fahrrad zu bewegen. Und deswegen ist es auch gut, dass sich in Dinslaken Politik und Verwaltung auf die Fahne geschrieben haben, dass sie die Stadt fahrradfreundlich machen wollen. Und es ist ja in dieser Hinsicht auch schon einiges geschehen. Luft nach oben bleibt allerdings auch noch reichlich.

Beispielsweise beim Ausbau von Pendlerparkplätzen an der Peripherie. Wenn die auch noch Fahrradgaragen und Ladestationen für E-Bikes böten, könnte das auch so manchen von weiter auswärtskommenden Pendler bewegen, sein Auto am Stadtrand stehen zu lassen und die restliche Strecke in die Innenstadt mit dem Rad zurückzulegen. Das wäre im Übrigen womöglich ein deutlich schneller Erfolg versprechender Weg zur Entlastung der Bundesstraße 8, als vollmundig eine Tunnellösung ins Gespräch zu bringen, die ohnehin nicht kommen wird - jedenfalls nicht in einem überschaubaren Zeitpunkt.

Wer saubere Luft in den Innenstädten will, der wird auf Dauer nicht umhinkommen, auf Lösungen zu setzen, die dazu führen, dass der Auto- und Lkw-Verkehr aus ihnen herausgehalten wird. Diese Lösungen zu finden und auch gegen mögliche Widerstände durchzusetzen, ist einer herausragende Aufgabe moderner Stadtentwicklungspolitik.

Dabei geht es nicht darum, das Auto als Fortbewegungsmittel zu verteufeln, sondern darum die Alternativen attraktiver zu machen. Und dazu kann gerade die Politik vor Ort viel beitragen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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