Dinslaken Einstürzende Klangmauern

Dinslaken · Billy Cobham gilt als einer der einflussreichsten Schlagzeuger des Fusion-Jazz. In der Kathrin-Türks-Halle gab der 68-Jährige mit seiner vierköpfigen Formation ein Konzert der Extraklasse – sehr laut, sehr lang und ungeheuer wuchtig. Das Publikum klatschte jeder Druckwelle begeistert Beifall.

Billy Cobham gilt als einer der einflussreichsten Schlagzeuger des Fusion-Jazz. In der Kathrin-Türks-Halle gab der 68-Jährige mit seiner vierköpfigen Formation ein Konzert der Extraklasse — sehr laut, sehr lang und ungeheuer wuchtig. Das Publikum klatschte jeder Druckwelle begeistert Beifall.

Geschichten von der Skelettküste sind laut. Billy Cobham erzählt sie mit zwei Basstrommeln, einer ansehnlichen Batterie von Tom-Toms und reichlich Cymbals. Wie ein vielarmiger Donnergott thront er inmitten eines gigantischen Drum-Sets und pumpt die dröhnenden Botschaften seiner im nächsten Jahr erscheinenden CD in den Saal. Zwei Stunden lang wird er dem Publikum in der Kathrin-Türks-Halle kräftig was auf die Ohren geben, wird es die Druckwellen spüren und unter einstürzenden Klangmauern glücklich lächeln lassen.

Dabei wird er Bilder von einem jungen Ausnahme-Schlagzeuger wachrufen, der in den frühen 70er Jahren als Gründungsmitglied des Mahavishnu Orchestra mit seiner kraftvollen, komplexen Spielweise und überragenden Technik Jazz-Rock-Geschichte geschrieben hat. Heute ist Billy Cobham 68 Jahre alt. Wenngleich seine Musik mit ihm in die Jahre gekommen ist und auf irgendwie liebenswerte Weise altmodisch klingt, hat der in Panama geborene Musiker seine überragende Klasse beibehalten.

Der spieltechnische Unterschied zwischen rechter und linker Hand ist noch immer gänzlich aufgehoben. Ungeheuer beweglich und vielschichtig buchstabiert Cobham auf hohem rhythmischen Niveau — beckenbezogen und zugleich trommelorientiert — das gesamte Alphabet des Fusion-Jazz rauf und runter. Die Grenzen zu Latin, Rock und Jazz sind fließend. Bassist Michael Mondesir unterfüttert das Ganze mit funkigen Grooves. Jean-Marie Ecay feuert an der Gitarre phonstarke Breitseiten ab, nutzt aber auch jede der wenigen sich bietenden Gelegenheiten, um sich solistisch zu behaupten. Die beiden Keyboarder Camelia Ben Naceur und Steve Hamilton lassen keine Möglichkeit aus, die Vorliebe des Trommelmeisters fürs Pompöse zu bedienen.

Cobham selbst feilt an seinem Bild als lebender Legende. Das Publikum liebt ihn für die Leichtigkeit, mit der er die Sticks über das gesamte Arsenal des Schlagzeugs wandern lässt. Es bewundert ihn für seine Ideenvielfalt, und begeistert sich auch für die Kabinettstückchen — manch einer tut sie als Hokuspokus ab — , mit denen der Schlagzeuger seine Trommelshow würzt. Zwei Hände, vier Sticks, ein zehnminütiges, fulminantes Solo, gefolgt von begeistertem Applaus — das ist der Stoff, aus dem gute Konzerte sind.

Der Jazz Initiative ist mit der Verpflichtung der Billy Cobham Group ein echter Coup gelungen. Dass sich ein Musiker, deran der Seite von John McLaughlin und bei den Bitches-Brew-Sessions von Miles Davis Jazz-Geschichte geschrieben hat, nach einem solch schweißtreibenden Konzert die Zeit nimmt, Plakate, CDs und 40 Jahre alte LP-Cover zu signieren, ist mehr als eine nette Geste. Das Publikum freut sich. Es hatte nichts anderes erwartet.

(RP)
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