Dinslaken Ein Stadtteil will kein Salafistennest sein

Dinslaken · WDR-Stadtgespräch sendete Podiumsdiskussion live aus dem Dachstudio der Stadtbibliothek: Dabei ging es auch um Lohberg als angebliche Hochburg für Gotteskrieger und Jugendliche, die in den Krieg zogen.

WDR 5-Stadtgespräch-Moderatorin Beate Kowollik befragt während der Live-Sendung einige Zuhörer im Dachstudio.

WDR 5-Stadtgespräch-Moderatorin Beate Kowollik befragt während der Live-Sendung einige Zuhörer im Dachstudio.

Foto: Lars Fröhlich

Im Aufgang zum Dachstudio stehen muskelbepackte Security-Männer und Frauen, beäugen scharf die eintretenden Gäste des WDR 5-Stadtgesprächs. Dinslaken scheint ein schlimmes Pflaster, ein Hort jener Krieger zu sein, dass es solch eines Aufwands seitens des WDR bedurfte.

Umso erstaunter waren die Kollegen denn auch, als sie während der Diskussionsrunde "Dinslaken: ein Hort für Gotteskrieger?" erfuhren, dass Bürgermeister Michael Heidinger seiner Vorgängerin Sabine Weiss folgte und sein privates Domizil in Lohberg aufschlug, dass gar Gülsüm Yigit vom Integrationsrat seit 42 Jahren unbeschadet im Bergarbeiter-Stadtteil lebt.

"Mittlerweile können wir es in Lohberg nicht mehr hören, dass wir eine Hochburg der Salafisten sein sollen. In den vergangenen Jahren haben wir in mühevoller und liebevoller Kleinarbeit das Image von Lohberg positiv verändert - was vor allem den vielen Ehrenamtlern zu verdanken ist. Aller Erfolg wird nun weggespült. Wir Lohberger wollen nur noch eines, unseren Alltag normal gestalten", spricht Gülsüm Yigit deutliche Worte.

Natürlich müsse man sich der Realität stellen, dazu gehörten aber auch das intensive Bemühen der Politiker um die Bildung der Kinder und Jugendlichen, um die Sprachförderung, aber vor allem um die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Und wie konnte es zu der Bildung einer kleinen Gruppe radikaler Salafisten in Lohberg kommen? Da waren sich Islamwissenschaftler Dr. Thorsten Gerald Schneiders und Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, einig. Es bedürfe nur einer charismatischen Führungspersönlichkeit, die durch Zufall in einem mit Problemen beladenen Viertel einer Stadt wohnt oder hineingerät, dort auf Jugendliche ohne Orientierung trifft und ihnen die Nähe verspricht, die sie anderswo nicht finden. Das gebe es nicht nur in Dinslaken - der Unterschied zu anderen Städten mit gleichen Problemen: aus Dinslaken sei eine geschlossene Gruppe ausgereist, die von Syrien aus ihre kruden Ansichten ins Internet stellte und so ein gefundenes Fressen für die Medien darstellte.

In Dinslaken funktioniere solch eine Gruppendynamik übrigens nicht mehr, betonte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes. Schneiders machte deutlich, dass extremer Salafismus nichts mit dem Islam zu tun habe, dass der Salafismus als solcher allerdings eine Unterart des Islam sei, doch aus religiösen Gründen kämpfe wohl kaum einer der Jugendlichen in Syrien und im Irak. Wilfried Faber-Dietze, Lehrer am Berufskolleg, der zwei der Jugendlichen kannte, bestätigte: "Keiner von beiden fiel durch religiösen Eifer auf, auch nicht durch terroristische Tendenzen." Doch wie geht man mit Rückkehrern um, wie sei eine weitere Radikalisierung zu verhindern? Bürgermeister Michael Heidinger stellte klar: "Der Großteil der Muslime lebt in Frieden und Freundschaft mit seinen Nachbarn."

Wichtig sei es, den Jugendlichen Perspektiven zu geben. Mit dem neuen, vom Land installierten Projekt "Wegweiser" soll zusätzlich eine Radikalisierung von Jugendlichen verhindert werden.

(RP)
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