Dinslaken Ein Blick in die Zukunft des Ruhrgebiets

Dinslaken · Opulente Fotos, informative Texte: Das Buch "Was bleibt ist die Zukunft: Das neue Ruhrgebiet" stellt eine Bilanz des jahrzentelangen Strukturwandels dar. Und es zeigt, was aus ehemaligen Industrieanlagen geworden ist.

 In 4,5-Meter großen Buchstaben war der Spruch "Was bleibt ist die Zukunft" auf dem Dach der Schwarzkaue in Lohberg zu lesen. Jetzt ist die Kaue selbst Geschichte. Sie wurde abgerissen. RP-Fotograf Martin Büttner hat das Projekt der Künstler Uta Kopp und Achim Mohné 2011 im Rahmen der Extraschicht in den Sucher genommen.

In 4,5-Meter großen Buchstaben war der Spruch "Was bleibt ist die Zukunft" auf dem Dach der Schwarzkaue in Lohberg zu lesen. Jetzt ist die Kaue selbst Geschichte. Sie wurde abgerissen. RP-Fotograf Martin Büttner hat das Projekt der Künstler Uta Kopp und Achim Mohné 2011 im Rahmen der Extraschicht in den Sucher genommen.

Foto: Büttner, Martin (m-b)

Den Wandel zu gestalten, ist Chance und Herausforderung zugleich. Es erfordert Mut und klare Entscheidungen. Der Abschied von der Kohle, auf der der Wohlstand der Region basierte, ist zugleich der Aufbruch in eine neue Ära. Hans-Peter Noll, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien, ist fasziniert davon, "wie die Menschen im Ruhrgebiet in gemeinsamer Kraftanstrengung aus Altem und Vergangenem erfolgreich Neues geschaffen und wieder blühende Landschaften gestaltet haben". In einem großformatigen Bild- und Textband, dessen Herausgeber er ist, zeigt die RAG nun, wie sich der Strukturwandel vollzieht.

"Was bleibt ist die Zukunft — Das neue Ruhrgebiet" lebt von seinen Bildern. Der Bochumer Fotograf Thomas Stachelhaus zeigt die ehemaligen Zechengelände von ihrer Schokoladenseite. Seine Fotos — viele davon im Panoramaformat — sind brillant. Manche rauben dem Betrachter den Atem. Sie führen von Westen nach Osten, von der Schachtanlage Rossenray in Kamp Lintfort über Walsum, Lohberg, Oberhausen, Essen und Gelsenkirchen bis nach Dortmund, Bergkamen und Hamm.

Der Schriftzug, der dem Buch seinen Namen gibt, ist selbstverständlich auch zu sehen. "Was bleibt ist die Zukunft" ist der Wortlaut des Remotewords-Projektes für Lohberg, das die Künstler Uta Kopp und Achim Mohné 2009 in 4,5 Meter großen Buchstaben auf dem Dach der Schwarzkaue des ehemaligen Bergwerks aufgebracht haben. Sichtbar war der Spruch aus der Vogelperspektive. Wer auf den großen Fördeturm kletterte, konnte ihn lesen. Mittlerweile ist die Schwarzkaue abgerissen und damit Geschichte.

Die Menschen, die an dieser Geschichte mitschreiben, versteckt das Buch nicht hinter schicker Industriefotografie. Stachelhaus nimmt sie in den Fokus. Die Autoren Rolf Kiesendahl und Hartmut Kowsky-Kawelke geben ihnen eine Stimme. Neben beeindruckenden Nachtaufnahmen auf eine leuchtende Zukunft am Fuße der Lohberger Halde gibt es ein Rendezvous mit Ulrike Int-Veen, die als eine der ersten Künstlerinnen mit ihrem Atelier Magenta in die Lohnhalle eingezogen ist. Oder mit Constanze Alefs, die das Taschenlabel "Freds Bruder" kreierte und damit weltweit erfolgreich ist. Die Botschaft ist einfach: In der besonderen Atmosphäre alter Industriedenkmale entsteht etwas völlig Neues. Hier ist Raum für Kreativität und Handwerk; und demnächst, wenn der Bergpark mit dem angrenzenden Wohnquartier fertiggestellt und die Haldenlandschaft erschlossen ist, wird hier auch umweltgerechte Energiegewinnung eine Rolle spielen. Der Blick in die Zukunft zeigt, wie auf der ehemaligen Bergwerksfläche Walsum ein hochmoderner Kraftwerkskoloss entstanden ist, neben dem in der Rheinaue die Schafe weiden. Er führt auf die Prosper-Halde in Bottrop und auf die Halde Rheinpreußen, wo das "Geleucht" des Künstlers Otto Piene den Weg zu den Standorten des Niederrheins weist.

Blühende Landschaften mit großzügig begrünten Arealen begegnen dem Leser in Gelsenkirchen-Bismarck. Früher wurde auf der Zeche Consol Kohle gemacht. Heute ist das Gelände ein großer Park für zahlreiche Sportarten, Drachenfeste finden dort statt, es gibt ein Museum, und in der alten Förderanlage wurden Probenräume für zahlreiche Bands geschaffen. Ein Stück weiter westlich, steht die Zeche Nordstern, im Zuge der Emscherkunst 2013 von vielen Dinslakener entdeckt, die den Besuch des "Flugdrachen" auf dem ehemaligen Kohlebunker mit einem Abstecher bei Markus Lüpertz' Herkules-Skulptur verbunden haben. Stachelhaus gelingt es auch hier, dem Betrachter, die Augen zu öffnen für das andere Ruhrgebiet, die Metropole Ruhr, deren Wahrzeichen selbstverständlich nicht fehlen darf. Das Doppelbock-Fördergerüst von Schacht XII, Symbol des Unesco Welterbes Zollverein in Essen, schließt das Tor in eine Welt auf, in der die Pioniere des Strukturwandels derart überzeugende Impulse gesetzt haben, dass darüber alle Unkenrufe verstummen. Weihbischof em. Franz Grave sagt im Nachwort: "Die Menschen im Ruhrgebiet vertrauen ebenso weiter Gott und fassen beherzt mit an, weil sie ihre Zukunft mitgestalten wollen, und weil sie wissen, dass sie eine Zukunft haben."

(RP)
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