Dinslaken Ein Blick in die Welt der Bandidos

Dinslaken · Die RP trifft ein Mitglied des in Wesel-Lippedorf beheimateten Bandido-Chapters Dinslaken. "Stoffel" war jüngst wegen einer Ohrfeige zu einer Geldstrafe verurteilt worden. 1500 Euro hat er an den Kinderklinik-Förderverein überwiesen.

 Bandido Stoffel hat das Gespräch mit der RP gesucht, um unter anderem mit Vorurteilen aufzuräumen. "Unser Motorradclub ist der beste der Welt und kein Auffanglager für Kriminelle", sagt er.

Bandido Stoffel hat das Gespräch mit der RP gesucht, um unter anderem mit Vorurteilen aufzuräumen. "Unser Motorradclub ist der beste der Welt und kein Auffanglager für Kriminelle", sagt er.

Foto: Malz

Ich kenne "Bandido" Stoffel bislang nur vom Telefon. Wir haben uns verabredet. Nicht in der Redaktion, nicht im Clubhaus des "Chapters Dinslaken" in Wesel-Lippedorf, sondern im Hamminkelner Biker-Treff "Roadhouse". Es ist kurz nach 11 Uhr. In dem amerikanischen Restaurant sitzen vor allem Familien beim Brunch. An der Theke steht Stoffel (35), der in Drevenack wohnt. Er fällt auf.

Nicht nur wegen seiner schwarzen Lederweste mit dem akkurat aufgenähten Bandido-Emblem, das einen Mexikaner mit Machete und Pistole zeigt. Stoffel ist stattliche 1,94 Meter groß, durchtrainiert. Sein Vollbart ist gepflegt. Er trägt Bluejeans, schwarze Leinenturnschuhe und eine schwarze Wollmütze. Wir geben uns die Hand, nehmen auf den Hockern am Tresen Platz. Er bestellt einen Pott Kaffee. Kein Lächeln.

Stoffel ist kürzlich vom Weseler Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt worden. Er gibt zu, einen 18-Jährigen am Weseler Bahnhof eine Ohrfeige gegeben zu haben. Der sei Mitglied des X-Teams gewesen, einer Unterorganisation der Bandidos, und habe Schulden nicht beglichen. Unter anderem für den Kauf einer X-Team-Jacke und eines T-Shirts.

Das Geld hat Stoffel mittlerweile an den Förderverein "Löwenzahn und Pusteblume" überwiesen. Mit dem Geld soll ein Spezialschrank für das Palliativzimmer in der Kinderklinik des Weseler Marien-Hospitals finanziert werden. "Das war meine Bedingung. Es sollte für einen guten Zweck sein, der Kindern hilft. Ich habe selber einen vierjährigen Sohn. Kinder sind das größte auf der Welt."

Während Stoffel das erzählt, lächelt er zum ersten Mal an diesem Vormittag. "Schreiben Sie doch einfach: ,Backpfeife mit Happy End'", sagt er. Von Reue keine Spur. Nicht zuletzt, weil der 18-Jährige vom X-Team "mich so enttäuscht hat. Dem habe ich sogar geholfen, dass er seine Lehre in einem Autohaus wieder aufnehmen konnte". Stoffel möchte das Gespräch nutzen, um mit Vorurteilen aufzuräumen. Die gibt es zweifelsohne. Auch wenn die Polizei bestätigt, dass es seit zehn Jahren zumindest im Kreis Wesel keinen Ärger mit Motorradgruppen gibt.

Vorurteile, die hatte Stoffel selbst, bevor er vor drei Jahren Mitglied im "weltweit besten Motorradclub" wurde, wie er sagt. Klar gebe es in den verschiedenen Clubs auch schwarze Schafe. "Aber nicht hier bei uns." Und: "Es gibt ja auch kriminelle Manager, Ärzte, Polizisten und Pfarrer, die Kinder missbrauchen. So etwas würde ein Bandido nie tun", sagt Stoffel. "Der Bandidos MC ist kein Auffanglager für Kriminelle oder solche, die es werden wollen."

Die Mitglieder des Chapters Dinslaken seien anständige Handwerker und Angestellte, die täglich zur Arbeit gingen und an Wochenenden auf ihren Harleys zu Konzerten und Partys fahren, sonntags Ausflüge unternehmen, in den Ferien an Clubtreffen in ganz Europa teilnehmen. Er selbst ist gelernter Kaufmann und arbeitet für ein Oberhausener Unternehmen im Vertrieb.

Die Philosophie der Bandidos untereinander beschreibt Stoffel so: "Wir begegnen uns mit ,Love, Loyalty & Respect'. Liebe — zu den Brüdern —, Loyalität und Respekt. Jeder ist für den anderen da. Eine solche Kameradschaft habe ich nie zuvor erlebt." Vielleicht in abgeschwächter Form in den Jahren 1999 und 2000 als Zeitsoldat im KFOR-Einsatz im Kosovo.

Zu den Bandidos kommt er durch Zufall. 2009 nimmt ihn ein Bekannter mit zu einer Party der Rocker. Stimmung, Essen, Musik, die Gespräche — "mir hat alles sofort gefallen". Er macht den Motorradführerschein, kauft übers Internet in England eine Harley Davidson — ein Muss für jedes Mitglied.

Stoffel ist im Club anerkannt. Der Aufnäher in Brusthöhe "SGT AT ARMS" signalisiert, dass er für die Disziplin im Club zuständig ist. Wie viele Mitglieder die Bandidos Dinslaken haben, wann sie sich treffen und ob es Probleme mit den Hells Angels in Duisburg gibt, dazu möchte er sich nicht äußern. Nur so viel: "Es hat sich viel getan in der Szene. Aber aktuell ist es ruhig."

Stoffel ist zum Ende des Gesprächs deutlich lockerer. Bei der Verabschiedung möchte ich noch wissen, was der Aufnäher "BFFB" bedeutet. "Das steht für ,Bandido forever, forever Bandido'". Also ein Rocker auf der Harley bis zum Lebensende? "Wenn ich mal alt bin, hole ich mir ein Trike und lasse einen Harley-Motor einbauen", sagt er. Wir geben uns die Hand. "Gutes neues Jahr", sagt Stoffel. Er lächelt.

(RP/ac)
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