Erinnerungen an Zeche Lohberg Unter Tage gab es nur Kameraden

Dinslaken · Am 31. Dezember 2005 war Schicht im Schacht: Die Zeche Lohberg wurde stillgelegt. Kumpel von damals erinnern sich daran mit Wehmut. „Ich trage die Zeche immer noch in meinem Herzen“, sagt Bergingenieur Silvio Magerl.

 Im März 2014 wurde der „kleine“ Förderturm demontiert. Hier nimmt der Kran gerade das Förderrad  an den Haken.

Im März 2014 wurde der „kleine“ Förderturm demontiert. Hier nimmt der Kran gerade das Förderrad  an den Haken.

Foto: Büttner, Martin (m-b)

„Schicht im Schacht“ hieß es vor zwei Jahren. Damals wurden die letzten Bergwerke geschlossen. Die Zeche in Lohberg ereilte dieses Schicksal schon vor 15 Jahren, am 31. Dezember 2005. Im ersten Teil unseres Rückblickes erinnerten sich Bergleute und wurden die Anfänge kurz und knapp skizziert. Im zweiten Teil geht es unter anderem um die Solidarität unter den Bergleuten.

Vieles hat das Bergwerk in Lohberg erlebt und überlebt: den Ersten Weltkrieg, die Märzunruhen und den Ruhrkampf sowie 1923 die Belagerung von belgischen Besatzungstruppen wegen Rückständen in den Reparationsleistungen. Es kommt erneut zu Widerständen, das Werk wird für zwei Monate stillgelegt. Zweiter Weltkrieg, Lohberg hat viele Tote zu beklagen beim Angriff im Januar 1945. 1955 und 1956 sind Jahre für Lohberg mit den höchsten Unfallzahlen aller Zechen. 1962 kommen die ersten türkischen Belegschaftsmitglieder nach Lohberg. In den Folgejahren werden immer mehr junge Türken angeworben, meist kaum den Kinderschuhen entwachsen, wie auch Kemal Inan.

Allein kamen sie in Lohberg an, wurden teilweise im Pestalozzidorf bei Gasteltern untergebracht. „Man versprach uns, dass wir hier alle Möglichkeiten hätten, zur Schule zu gehen, um uns weiterbilden zu können. Doch wir mussten darum kämpfen“, erzählt Kemal Inan. Er ist seinen Weg gegangen. „Ich bereue nichts“, sagt er heute. „Ich bin stolz darauf, ein Bergmann gewesen zu sein, und es packt mich ein wenig Wehmut, wenn ich dort am ehemaligen Zechengelände vorbeikomme.“

Aber neben Wehmut sei auch Stolz in ihm. „Ich bin stolz darauf, dass wir es in Deutschland immer wieder schaffen weiterzugehen, etwas neu zu erschaffen. Ich bin stolz auf mein Land.“ Er könne sich gut daran erinnern, wie er als junger Kerl am Magazin stand, so stolz auf sich, weil er am zweiten Tag seiner Lehre seine Schuhgröße bereits auf Deutsch sagen konnte. 23 Jahre später war er Bergbauingenieur und später Leiter der Markscheiderei, die zuständig war für die Erfassung, Auswertung und Bereitstellung bergbaubezogener Geoinformationen.

„Es spielte keine Rolle im Bergbau, welcher Nationalität man war“, weiß Silvo Magerl zu erzählen. „Unter Tage gab es keine Ausländer, da gab es nur Kameraden, auf die man sich verlassen musste, die zusammenhielten.“ Zu gefährlich war die Arbeit unter Tage, um sich Streitereien oder gar Rassismus zu leisten. Einer seiner besten Kameraden war Halil Us, der Steiger habe ihm, als er noch ein junger Bergingenieur, frisch von der Schule kommend war, zur Seite gestanden. „Leider ist Halil viel zu früh gestorben“, so Magerl.

Auch der Bergingenieur wurde, als die Stilllegung beschlossen war, zur Zeche Lippe verlegt. „Ich trage die Zeche immer noch in meinem Herzen, das spüre ich vor allem, wenn ich Interessierte über das Gelände führe und ihnen von der Geschichte des Bergwerks erzähle.“ Vor allem, wenn sich seiner Führung andere Bergleute anschließen oder deren Kinder. Dann sei man schnell wieder in Gedanken unter Tage, erlebe noch einmal die Zeit vor der Zechenschließung.

Doch trotz aller Kameradschaft, trotz der Millionen Tonnen Kohleförderung und der Zusammenlegung der beiden Bergwerke Lohberg und Osterfeld, trotz aller Bemühungen der Bergleute, die Chancen standen schlecht, die Rückendeckung in der Politik und in der Bevölkerung schwand immer mehr.

Am 13. September 2003 wurde die Stilllegung des Bergwerks Lohberg/Osterfeld beschlossen. Ursprünglich sollte die Förderung noch bis 2007 gehen, doch das Aus kam bereits zum 30. Dezember 2005. Mit Ablauf der Nachtschicht wurde die Kohleförderung offiziell eingestellt.

Ein Fehler, findet noch heute Peter Psiuk. „Lohberg war wohl zu teuer“, mutmaßt Psiuk. Zu viel Grubengas hätte es im Berg gegeben und durch die vielen Abschaltungen sei der Abbau, sei die Kohle zu teuer geworden. Manchmal, sagt er, fände er es befremdlich, heute durch Lohberg zu gehen. „Ich tue mich auch schwer, durch den Bergpark zu spazieren, es ist irgendwie anders geworden im Stadtteil ohne Kumpel, ohne Zeche.“

Ja, der Stadtteil hat sich verändert. Seit am 30. Juni 2006 die letzten Bergleute eingefahren sind, um die Wasserhaltungspumpen abzuschalten, hat sich viel getan. 2010 haben die Rückbauarbeiten begonnen, 2012 wurde die Schaffung des Energie-Plus-Standortes beschlossen, 2014 bereits der Bergpark eröffnet, die Fördermaschinenhäuser und die Schachthalle von Schacht II wurden zurück gebaut, 2015 der Lohberg-Corso eröffnet, 2016 folgte so nach und nach die Bebauung des Wohnclusters und 2017 gab es den ersten großen Ankermieter am ehemaligen Zechenstandort, dem bis heute weitere folgten.

 2008 wurde die Kohlewäsche abgerissen.

2008 wurde die Kohlewäsche abgerissen.

Foto: Michael Dammer/Dammer, Michael (mdam)
 Abbrucharbeiten, aufgenommen im Juni 2009.

Abbrucharbeiten, aufgenommen im Juni 2009.

Foto: Büttner, Martin (m-b)
 Auch der Rundeindicker auf dem ehemaligen Gelände der Zeche Lohberg ist mittlerweile Geschichte. Er wurde abgerissen.

Auch der Rundeindicker auf dem ehemaligen Gelände der Zeche Lohberg ist mittlerweile Geschichte. Er wurde abgerissen.

Foto: Heinz Schild

Heute ist das Wohngebiet so gut wie komplett erschlossen, die Gewerbeflächen sind vermietet, lediglich bei den historischen Bestandsgebäuden gibt es noch Leerräume. Die Caritas richtet in der Lohn- und Lichthalle eine Pflegeschule ein, neues Leben soll in die Zechenwerkstatt einziehen. Das Grubengas nutzen die Stadtwerke.

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