Kommentar Schulpolitik: Nur in Steine zu investieren, reicht nicht

Warum das Geld, das eine Stadt in ihre Schulgebäude investiert, zwar zeigt, welche Bedeutung sie ihren Schulen beimisst, warum das aber noch nichts über die Qualität der Schulandschaft sagt.

Ferienzeit ist Schulbauzeit. Die Kommunen nutzen die unterrichtsfreie Zeit, um ihre Schulgebäude auf Vordermann zu bringen, renovieren, bauen um, an und aus. Auch in Dinslaken ist das zurzeit wieder der Fall. Die Stadt hat über die Jahre viele Millionen Euro in ihre Schulgebäude investiert, und sie will das auch weiterhin tun. Das ist gut und löblich und trägt ohne Frage erheblich dazu bei, die Stadt zukunftsfähig zu machen. Das alles darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zustand und Qualität der Gebäude zwar durchaus Rückschlüsse erlauben, welche Bedeutung  Dinslaken den Schulen beimisst, dass sie aber noch längst keine Aussage über die Qualität der Schullandhaft insgesamt zulassen. Und Investitionen in Stein  entscheiden auch keineswegs über den Erfolg einer Schulform. Wäre dies so, dann wäre die Sekundarschule – hier hat die Stadt, wir erinnern uns, etliche Millionen in das Gebäude der ehemaligen Volksparkschule gesteckt – ohne Frage ein Erfolg geworden. Ist sie aber nicht. Die Schule hat in Dinslaken keine Zukunft. Auch dass die Pädagogen dort unbestritten gute Arbeit geleistet haben, hat die Schule nicht retten können. Über das Schicksal von Schulen  entscheiden, was dies Beispiel überdeutlich zeigt, offenbar ganz andere Faktoren. Dass Dinslaken auf die Sekundarschule gesetzt hat, ohne die Schulandschaft grundlegend umzugestalten, war ein fataler Fehler, mit dem eines jedenfalls ganz sicher nicht erreicht worden ist: Ruhe in die Schullandschaft der Stadt zu bringen. Nun ist es müßig, lange darüber zu rechten, wer für diesen Fehler die Verantwortung trägt. Da kam einiges zusammen: eine ehrgeizige Dezernentin, die einen Erfolg verbuchen wollte, die Kritik gern mal abprallen lässt und zu deren hervorstechendsten Eigenschaften die Fähigkeit zur Selbstkritik offenbar auch nicht zählt und eine Politik, die deren Spiel gern mitgespielt hat, weil sie doch den scheinbar bequemsten Weg offerierte. Vor dem Scherbenhaufen, den diese Konstellationen angerichtet hat, stehen nun Eltern, Schüler und Lehrer. Das ist Fakt. Die große Frage aber bleibt, ob Politik und Schulverwaltung dieser Stadt daraus gelernt haben. Nach den Sommerferien steht die Entscheidung an, die weisen muss, ob Dinslakens Schullandschaft tatsächlich auf einen längeren Zeitraum betrachtet zukunftsfähig wird. Die Politik setzt auf eine Elternbefragung. Die mag ja auch wichtige Erkenntnisse bringen. Zu einem sollten aber weder Schulpolitik noch -verwaltung sie missbrauchen: sich dahinter zu verstecken. Ergebnisse von Befragungen sind interpretierbar. Auch aus der Befragung, die vor dem Beschluss über die Errichtung einer Sekundarschule durchgeführt wurde, hätte sich der Wunsch der Eltern nach mehr Gesamtschulplätzen ablesen lassen. Dies Ergebnis passte aber wohl nicht so recht ins Konzept.

Gegen Realitäten lässt sich auf Sicht keine Politik machen. Und zu diesen Realitäten gehört, dass das dreigliedrige Schulsystem zerschlagen ist und dass es – mit Ausnahme der Gymnasien, die noch auf lange Sicht sakrosankt sein werden – wenig zukunfstsichernd ist, mit seinen Bausteinen eine neue Schullandschaft errichten zu wollen. Für Dinslaken bedeutet dies, dass in der Diskussion  auch die Realschule kein Tabuthema sein darf, so wünschenswert ihr Erhalt auch so manchem scheinen mag. Durchaus möglich, dass es gute Argumente gibt, die Realschule in Dinslaken noch eine Weile am Leben zu erhalten, dass sie ein Zukunftsmodell ist, ist allerdings extrem unwahrscheinlich. Und was passiert, wenn man eine Realschule – selbst wenn sie auf den ersten Blick noch so gut funktionieren mag – auf Teufel komm raus erhalten will, das haben die Nachbarn in Voerde schmerzhaft lernen müssen. Dinslaken braucht eine Schuldiskussion ohne Tabus und Scheuklappen, Politiker, die den Mut haben, sie zu führen und genauso mutig  zu entscheiden. Sonst werden wir schon bald die nächste Schuldiskussion führen müssen.

Ich wünsche ihnen eine angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

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