Entwidmete Gotteshäuser Auch „verlassene“ Kirchen bleiben wichtig für die Allgemeinheit

Dinslaken · Für viele Menschen ist es ein trauriger Anlass, wenn eine Kirche entwidmet wird. Denn sie verbinden wichtige Lebensphasen mit dem sakralen Gebäude.

 Etliche Gläubige sind eng mit dem Gotteshaus ihrer Gemeinde verbunden, denn es ist ein wichtiger Teil ihres Glaubens (Symbolfoto).

Etliche Gläubige sind eng mit dem Gotteshaus ihrer Gemeinde verbunden, denn es ist ein wichtiger Teil ihres Glaubens (Symbolfoto).

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Die Kommunion oder Konfirmation, und somit Stationen der Kindheit und Jugend. Die kirchliche Trauung, die Taufe der Kinder. Und man erinnert sich an jene, von denen man Abschied genommen hat – an Beerdigungen. Kirchen, selbst die, die nicht Jahrhunderte alt sind, atmen immer einen Hauch von Ewigkeit.

Pfingsten war es an der Zeit für die evangelische Lutherkirche in Lohberg. Am Montag haben ihre Glocken zum letzten Mal zum Gottesdienst geläutet, jetzt ist sie entwidmet. Was mit ihr geschieht, ist derzeit völlig unklar. „Von Weiternutzung bis zum Abriss ist alles möglich“, heißt es dazu aus der Gemeinde.

Die Lutherkirche ist ein Beispiel für viele: Kirchen werden aufgegeben. Das ist nur ein sichtbarer Ausdruck eines Wandels. Es gibt immer mehr Kirchenaustritte. In ihrer ökumenischen Woche haben evangelische und katholische Christen in Dinslaken zuletzt darüber diskutiert, ob die Kirche an sich „noch zu retten“ sei. Fazit: Ja. Aber an Gebäude dachten die Gesprächspartner dabei weniger. Eher an einen Wandel in Gemeindeleben und Glaubensvermittlung.

Wenn es darum geht, was aus einem profanierten Kirchenbau werden soll, ist meistens noch die Rede von der persönlichen Verbundenheit der Gemeindemitglieder mit der Glaubensstätte. Darüber sollte man aber unbedingt hinausdenken.

Denn sicher ist diese Verbundenheit tief bei vielen Menschen – es werden aber doch immer weniger, die so empfinden. Wegen einer allgemeinen Entwicklung und auch, weil die Leute weniger als in früheren Generationen an einem Ort verhaftet sind.

Wer aus einer anderen Stadt hergezogen ist, dessen wichtige Lebensstationen wurden ganz woanders eingeläutet. Und umgekehrt: Wer weggezogen ist, der erinnert sich vielleicht in einem Moment des Innehaltens an bedeutsame Momente, wenn er oder sie erfährt, dass es die Kirche von damals jetzt nicht mehr gibt. Das war es aber auch schon.

Kirchen sind jedoch nicht nur Teil individueller Lebensgeschichten, sie sind viel mehr: Sie sind Teil der Orts- und Stadtgeschichte. Um praktisch jede von ihnen rankt sich eine Entstehungslegende. Jeder Kirchturm steht nicht nur für denkwürdige Erlebnisse von Einzelnen, sondern für die größeren Entwicklungen in einem Ort. Es muss sich niemand mehr persönlich an eine Hochzeit oder Taufe erinnern, um zu spüren, dass so ein Platz von Bedeutung ist. Nicht einmal religiöse Gefühle sind nötig, um das zu erkennen.

Jeder Kirchenbau, der der Allgemeinheit erhalten bleibt, ist darum ein Gewinn. Die Einrichtung von Kolumbarien – also von Beisetzungsstätten für Urnen – hat sich für verschiedene Standorte als gute Lösung gezeigt: Damit bleibt  einem Gebäude ein Teil seiner transzendentalen Gewichtigkeit erhalten. Für den konkreten Fall der Lutherkirche in Dinslaken wurde diese Idee übrigens erwogen und leider verworfen.

Es gibt aber weitere Möglichkeiten, einstige Kirchen so zu nutzen, dass die Gesellschaft noch etwas von ihnen hat. Das ist gut, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um ehrwürdige Konzepte handelt. Aus Kirchen werden Veranstaltungsorte, sie können Gastronomie beheimaten – alles ist besser, als wenn sie in rein private Zwecke übergehen. Dann nämlich drohen die ehemaligen Gotteshäuser wirklich bedeutungslos zu werden.

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