Die Politik will es so Ein Sieg, den niemand braucht: Geschafft, die Telefonsäulen bleiben!

Meinung · Die paar öffentlichen Telefone, die sich auf Voerdes kleine Dörfer verteilen, braucht praktisch niemand mehr. Das zeigen Nutzerzahlen: Ein Anruf alle zwei Monate – das sind mitleiderweckende Werte.

Die Telefonsäulen in Voerde bleiben
Foto: Schwarze-Blanke

Die Voerder Politik hat die Telekom gerade trotzdem dazu verdonnert, die Säulen weiter zu betreiben, obwohl der Konzern sie seit Jahren abbauen will. Sie sieht in den Geräten eine Notfall-Versorgung. Was, wenn einem mal etwas passiert, ein Unfall, jemand stürzt, fühlt sich schlecht, und er oder sie hat nun mal kein Handy und muss Rettungskräfte oder Polizei rufen? Was, wenn die privaten Telefone in der Umgebung ausfallen? Blitzschlag, Stromausfall, Leitungsschaden?

Tatsächlich ist das wenig überzeugend. Man müsste schon eine Menge Glück haben, um seinen Notfall in direkter Nähe der einzigen Telefonsäule weit und breit zu erleben. Und ziemliches Pech, wenn nicht irgendjemand in der Nähe lebte oder des Weges käme, der mit Festnetz- oder Mobiltelefon aushelfen würde.

Um sich auch noch ein Szenarien ausdenken, in denen zwar die Festnetzapparate im Umfeld ausfallen und die Handys auch nicht mehr funktionieren, die öffentlichen Telefone es aber noch tun, muss man die Fantasie schon ziemlich spielen lassen.

Befürworter haben auf Defibrillatoren verwiesen: Diese Geräte, die im Falle akuter Herzprobleme Leben retten können, stelle auch niemand infrage, nur, weil sie selten genutzt würden. Aber Defibrillatoren sind ja auch genau dafür gedacht. So, wie man auch den Verbandskasten im Auto hat und hofft, dass er nie zum Einsatz kommen muss. Wenn ein Verbandskasten nie geöffnet wird, ist das ein gutes Zeichen. Für eine Telefonzelle gilt dieser Grundsatz eigentlich nicht.

Vermutlich steckt hinter der ganzen Diskussion und dem Voerder Widerstand etwas ganz anderes. Nämlich das Gefühl der Menschen in kleineren Dörfern, dass die Grundversorgung wegbricht und dass man in dieser Situation überhaupt nicht mehr gesehen wird, vielleicht auch nicht ernst genommen. Da gibt es zum Beispiel keinen Laden mehr. Die Busse fahren selten, Ärzte sind auf dem Land dünn gesät, und das, wo die Menschen immer älter werden. Es sollte sogar der Wahlbezirk „Rheindörfer“ abgeschafft werden, das hat die Leute richtig auf die Palme gebracht. Und jetzt wackeln auch noch die Telefonsäulen!

Das will man sich nicht bieten lassen. Aber ein Kampf um Telefone, die keiner braucht, ist ein Irrweg. Wenn die Aktiven ihn gewinnen, haben sie nichts davon außer den Triumph. Wie schon gesagt: Sie benötigen die Telekomsäule nicht. Die verkauft keine Lebensmittel, der Bus hält da nicht öfter, sie verbessert nicht die Gesundheitsversorgung und sichert keinen Wahlbezirk. Sich gegen den Abbau von Infrastruktur zu wehren ist vernünftig. Aber nur, wenn man seine Energie für Dinge einsetzt, von denen man profitiert.

Die Gründung der Interessengemeinschaft der Rheindörfer zum Beispiel ist so eine Sache. Sie will in der Politik mitmischen. Dass das eine gute Idee ist, macht zum Beispiel Spellen vor. Auch ein Projekt wie die Gründung eines Dorfladens – angedacht für Götterswickerhamm – verdient und braucht alle Unterstützung. Wenn so ein Geschäft sich halten kann, ist es wirklich ein Gewinn für alle.

Gerade kleine Dörfer müssen sich um Zukunftsfähiges Bemühen, statt sich an das zu klammern, was in der Vergangenheit mal wichtig war. Dann verlieren sie auch nicht den Anschluss, mit oder ohne Münzfernsprechgerät.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie an
sina.zehrfeld@rheinische-post.de

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