Wolfsgebiet Schermbeck BUND hält Wolfsrudel für möglich

Derzeit wird geprüft, ob Gloria möglicherweise kein Single mehr ist. Selbst wenn das so wäre, müssten Schäfer nicht zwangsweise mehr Risse von Weidetieren fürchten, sagt BUND-Kreisgruppen-Vorsitzender Günther Rinke.

Die Nutztierhalter fürchten, dass sich im Wolfsgebiet Schermbeck üer kurz oder lang ein Wolfsrudel niederlassen könnte.

Die Nutztierhalter fürchten, dass sich im Wolfsgebiet Schermbeck üer kurz oder lang ein Wolfsrudel niederlassen könnte.

Foto: dpa-tmn/Klaus-Dietmar Gabbert

Das Landesumweltamt (Lanuv) hat die Sichtung eines zweiten Wolfes vermutlich zusammen mit der Wölfin GW954f – genannt Gloria – im Wolfsgebiet Schermbeck bestätigt. Wie berichtet, soll in den nächsten Wochen durch ein Monitoring geprüft werden, ob es sich dabei um ein dauerhaftes Paar handele. Nicht nur für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stellt sich damit auch die Frage, ob es Nachwuchs geben wird. Angelika Eckel von der BUND-Kreisgruppe Wesel hält es für wahrscheinlich, dass es sich bei dem zweiten Wolf um einen Rüden handelt, „da ein zweiter weiblicher Wolf von Gloria eher als Eindringling in ihr Revier angesehen und vertrieben worden wäre.“

Die Paarungszeit der Wölfe liege in den Monaten Januar bis März. Die Fähe sei etwa eine Woche empfängnisbereit. Die Welpen (meist vier bis sechs) kämen dann zwischen April und Juni auf die Welt. „Es ist nicht auszuschließen, dass es am Niederrhein die erste Wolfsfamilie Nordrhein-Westfalens, ein sogenanntes Rudel, geben wird“, sagt Eckel. „Aber das bleibt abzuwarten.“

Was vor allem die Schäfer beschäftigt, ist die Frage, ob damit auch Übergriffe auf Nutztiere zunehmen werden. Günther Rinke, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Wesel, ist der Ansicht, dass ein zweiter Wolf nicht unbedingt zu mehr Übergriffen auf Weidetiere führen müsse. „Wölfe jagen Tiere, die größer und schwerer sind als sie selbst. Auch wenn sie dabei gezielt alte, kranke und schwache Tiere angreifen, bedeutet eine Jagd für einen Wolf erheblichen Energieaufwand und ist immer mit einem Verletzungsrisiko verbunden. Einzelwölfe sind bei der Jagd auf Wildtiere oft chancenlos und vergreifen sich daher an den für sie leichter zu erbeutenden Nutztieren. Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Wölfe in Rudeln eher zutrauen, Wildtiere anzugreifen und dann weniger Weidetiere reißen.“

Nach erfolgreicher Jagd zögen Wölfe ihre Beute an einen sicheren Ort, wo sie ungestört fressen können, berichtet Angelika Eckel. Später kehrten sie zu den Überresten ihrer Beute zurück, um die zu fressen. „Das können sie mit erlegten Weidetieren, die sie auf der Weide zurücklassen müssen, nicht machen. Der Hunger macht also bald eine erneute Jagd, bzw. einen erneuten Übergriff nötig.“

Um Übergriffe auf Nutztiere wie etwa Schafe zu verhindern, hält es Günther Rinke deshalb für wichtig, im Wolfsgebiet Nutztiere lückenlos zu schützen und dem Wolf den Zugang zur Weide so zu erschweren, dass Nutztiere für ihn keine leicht zu jagende Beute mehr darstellen. Der Einsatz von Herdenschutzhunden habe sich bewährt. Ohne Herdenschutzhunde muss aufwändiger gezäunt werden.

Eine Erschwernis für den Wolf lasse sich nach Überzeugung des BUND auch erreichen, indem der Zaun verändert wird: Ein 90 Zentimeter hohes Elektronetz, werde durch eine 120 Zentimter hohe gespannte Elektrolitze ergänzt, die mal vor, mal hinter den Zaun gesetzt wird, ein andermal werde dichtes Flatterband genommen. „Der Wolf sieht sich jedes Mal mit einer neuen Situation konfrontiert und wird verunsichert“, sagt Rinke.

Der BUND habe sich immer dafür eingesetzt, dass die Kosten für den erhöhten Arbeitsaufwand beim Zäunen und die Kosten für Herdenschutzhunde den Schäfern erstattet werden, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Förderrichtlinie Wolf - so habe Ministerin Heinen-Essen im Januar dieses Jahres den Schäfern zugesagt – werde überarbeitet und diese Punkte berücksichtigen. Damit die Zahlungen bei den Schäfern ankommen, müsse die EU ihre Zustimmung zu der erhöhten Förderung geben. „Was leider lange, in unseren Augen zu lange dauert“, erklärt der BUND-Vorsitzende der Kreisgruppe Wesel. „Wie eine Rückfrage beim Ministerium ergab, soll eine geänderte Förderrichtlinie Wolf jedoch demnächst in Kraft treten.“

Eine weitere Frage, die sich immer mehr Menschen stellen: Verhalten sich Wölfe, die im Hellen in der Nähe von Wohnhäusern jagen, noch artgerecht? „Wölfe sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv“, erklärt Günther Rinke weiter. Da könne es durchaus sein, dass sie in den frühen Morgenstunden noch aktiv waren, vor allem, wenn sich durch einen lahmenden Hirsch – wie es auch Revierförster Herbrecht nach dem Vorfall an Ostern schilderte – eine günstige Gelegenheit ergab.

Häuser und andere unbelebte Bauwerke des Menschen empfinde der Wolf nicht als gefährlich und nähere sich ihnen, wenn er sein Revier abläuft oder wie in diesem Fall einem Beutetier folgt. „Dass beide Wölfe beim Erscheinen eines Menschen von ihrem Beutetier abließen und sich vertreiben ließen, zeigt, dass sie den Menschen meiden; eigentlich eine Situation, wie sie im Lehrbuch steht“, erläutert Angelika Eckel. „Eine Situation wie sie Deichgräf Ingo Hülser beschreibt, erwarten wir deshalb nicht.“ Und dann erinnert Eckel an den Mann, in Norddeutschland, der behauptete, ein Wolf habe auf einem Friedhof nach seiner Hand geschnappt – bis sich letztendlich herausstellte, dass es ein Hund gewesen war.

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