Dinslaken Der Streit um den Ganztag

Dinslaken · Hintergrund Gebundene Ganztagsschule, offener Ganztag, rhythmisierter Ganztag – was sich hinter diesen Begriffen verbirgt und warum in Dinslaken darüber zurzeit so aufgeregt diskutiert wird.

1203 Schüler an zehn Grundschulen und einer Förderschule nahmen im abgelaufenen Schuljahr in Dinslaken ein Ganztagsangebot wahr. Gekostet hat das 2,08 Millionen Euro. Knapp 1,25 Millionen Euro davon übernimmt das Land, rund 600 000 Euro tragen die Eltern bei und knapp 240 000 Euro schießt die Stadt zu. Tatsächlich ist der Zuschuss der Stadt allerdings noch höher, weil sie die Elternbeiträge nicht in vollem Umfang erhebt. So können Kommunen bis zu 150 Euro im Monat von Eltern verlangen, die ihr Kind in den offenen Ganztag schicken. In Dinslaken sind die Elternbeiträge nach Einkommen gestaffelt (siehe Info).

Selbst in der höchsten Enkommensgruppe ab 60 000 Euro zahlen Eltern nur 120 Euro im Monat. Zudem gibt es Sonderregelungen, wenn mehrere Kinder einer Familie gleichzeitig den Offenen Ganztag oder eine Kindertagesstätte besuchen. In diesem Fall wird für das Geschwisterkind nur der halbe Beitrag fällig.

Die Mischfinanzierung – Land, Eltern, Kommune – resultiert daraus, dass Nordrhein-Westfalen im Grundschulbereich auf die Form des Offenen Ganztags setzt. Anders als bei einer gebundenen Ganztagsschule, bei der alle Kinder, die diese Schule besuchen, an den Angeboten des Offenen Ganztags teilnehmen müssen, haben die Eltern beim Offenen Ganztag die Wahl, ob ihr Kind das Angebot an seiner Schule wahrnimmt oder nicht.

Elternbeiträge allerdings können nur für solche freiwilligen Angebote erhoben werden. Auch die Zuschüsse der Kommune sind freiwillige Leistungen. Für die Finanzierung eines gebunden Ganztags – wie es ihn beispielsweise an rund 800 Schulen der Sekundarstufe in Nordrhein-Westfalen gibt – müsste das Land komplett einstehen.

In Dinslaken geht es in der Diskussion um den Offenen Ganztag im Wesentlichen um zwei Fragen. Wie offen ist der Ganztag tatsächlich, lautet die eine. Zwar können Eltern frei entscheiden, ob sie ihr Kind zum Ganztag anmelden. Wenn sie es aber tun, dann ist die Teilnahme "in der Regel" an fünf Tagen in der Woche von 8 bis 15 Uhr verpflichtend. So regelt das ein Erlass. Dies "in der Regel" ist in Dinslaken bislang großzügig ausgelegt worden. Dann aber hat die Verwaltung noch einmal auf den Erlass hingewiesen und deutlich gemacht, dass die Teilnahme am Ganztag verbindlich ist. Das hat zu erheblichen Irritationen bei den Eltern geführt und zu Abmeldungen. Schließlich hat der Rat eine Resolution an das Land verabschiedet, in der er die Klärung der Frage verlangt, wie die Teilnahme am Ganztag geregelt wird.

Bei der zweiten Frage geht es um eine spezielle Schule. Die Grundschule in Lohberg möchte ihr Ganztagsangebot neu konzipieren. Sie wollte sich deswegen vom bisherigen Träger – dem Caritasverband – trennen, was geltenden Beschlüssen des Rates und dem Vertrag zwischen Stadt und Caritas zuwider lief. Inzwischen hat der Träger eindeutig klar gemacht, dass er seinen bis 2014 laufenden Vertrag erfüllen will. Schule, Schulverwaltung und Träger haben sich inzwischen auf ein neues Konzept für den Ganztag verständigt.

Künftig soll es in Lohberg auch das Angebot eines rhythmisierten Ganztags geben. Der unterscheidet sich vom bisher in Dinslaken praktiziertem Ganztagsangebot dadurch, dass Schule und außerschulische Angebote nicht nacheinander stattfinden, sondern den gesamten Schultag über im Wechsel. Dazu ist es logischerweise notwendig, dass beide Angebote anders als bisher im Schulgebäude selbst stattfinden. Und darum geht der neuerliche Streit zwischen Verwaltung und Politik.

Die Verwaltung ist der Auffassung, dass die Entscheidung über ein Konzept für die Ausrichtung des Ganztags eine innerschulische Angelegenheit ist, bei der die Politik nicht beteiligt werden muss. Eine Mehrheit der Politik sieht das anders und verweist darauf, dass die Stadt an der Finanzierung des Ganztags nicht unerheblich beteiligt ist und die Politik nun einmal über die Bereitstellung der Mittel befinde. Deswegen hat der Rat nun die Entscheidung an sich gezogen (siehe Unsere Woche).

(RP)
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