Dinslaken Der Mann mit dem Hut

Dinslaken · Gutes Theater braucht gute Bilder. Die Burghofbühne holt sie sich bei Kay Anthony. Einfallsreich und erfrischend unkonventionell erweckt der 50-jährige Bühnen- und Kostümbildner aus Hamburg tote Räume zum Leben. "Der Richter und sein Henker" ist seine 13. Produktion in Dinslaken.

Kay Anthony kommt mit Hut. So wie immer. Die Kopfbedeckung ist sein Markenzeichen. Die setzt er nicht mal ab, wenn er nach der Aufführung mit Schauspielern und Regisseur zum Danke-Diener vors Publikum tritt. "Vor 25 Jahren habe ich einem Friseur mal vier Hüte abgekauft", erzählt Anthony. "Seitdem trag ich die." Der Bühnenbildner zündet sich eine Zigarette an, lächelt. Er genießt die kleine Pause, freut sich, für ein paar Minuten der Hektik in der Kathrin-Türks-Halle zu entkommen. Dort laufen seit Montag die Endproben für "Der Richter und sein Henker". Mit dem Dürrenmatt-Stück startet die Burghofbühne morgen die neue Spielzeit.

Erst Lektüre, dann Modell

"Wieder eine Romanvorlage", sagt Kay Anthony. Der 50-Jährige kneift die Augen zusammen. Er mag lieber "richtige" Theaterstücke, Schauspiele von Shakespeare, Brecht, Kroetz. Die kämen nicht so sperrig daher, hätten einen völlig anderen Erzählfluss als dramatisierte Prosa. Dann wird der Bühnenbildner, der vor ein paar Jahren mit der Ausstattung für "Effi Briest" bei der Burghofbühne einstieg, konkret. "Der Richter und sein Henker" besteht aus 30 Bildern, wenige Minuten langen Szenen. Die darf man nicht durch lange Umbaupausen zerstören. Da muss alles im Fluss bleiben, erklärt Anthony. "Das ist gar nicht so einfach."

Thorsten Weckherlins Dürrenmatt-Inszenierung nennt der Mann mit dem Hut "eine Herausforderung". Und dabei sieht Kay Anthony wie jemand aus, der genau weiß, dass er sie gemeistert hat. Die technischen Möglichkeiten in der Kathrin-Türks-Halle sind begrenzt. Die Bühne ist nicht sonderlich tief, es gibt ein paar Züge, eine kleine Seitenbühne. Das war's. Um das Stück aufführen zu können, ist Fantasie gefragt. Davon hat Kay Anthony genug. Er arbeitet nach der Methode: Erst die Lektüre, dann das Modell. Das heißt, beim "sehr langsamen Lesen" nimmt er zunächst die Atmosphäre des Stücks auf. Danach beginnt er zu basteln. Kay Anthony wohnt auf einem Bauernhof in Sückau, einem kleinen Ort an der Elbe zwischen Hamburg und Berlin. Dort steht sein "Fundus" — Figürchen, Hölzchen, Kisten, Kästen und Kartons, Nippes und Krimskrams, allerlei Aufbewahrtes. Anthony spricht offen von "Gerümpel". Daraus baut der 50-Jährige seine Bühnenmodelle. Format: 1:20. Zuerst breitet er ein paar Dinge auf dem Küchentisch aus. Dann überlegt er, ob sich damit etwas anfangen lässt und sortiert aus — Stück für Stück. "Das ist wie Suppe kochen", sagt er. "Man reduziert ein."

Sein erstes Bühnenbild fertigte Kay Anthony 1989 für das Hamburger Schauspielhaus. In der Bühnenbild-Klasse an der Hochschule der Künste hatte er in der Hansestadt unter Professor Wilfried Minks seine Ausbildung absolviert. "Ich war damals Punk", erzählt Anthony. Das Studium (Geografie, Geschichte, Pädagogik) hatte er nach einem Semester abgebrochen. Theater machte ihm mehr Spaß. Man bot ihm einen Vertrag an. Zur Bühnenarbeit kam das Filmen hinzu. Anthony stattete Dokumentationen fürs Fernsehen aus, später auch Spielfilme.

In Berlin lernte er Thorsten Weckherlin kennen, ebenfalls gebürtiger Hamburger. Zwei Jahre später war Weckherlin Intendant der Burghofbühne und rief Anthony an. "Er sagte mir: Ich habe jetzt ein Theater. Willst du was machen?" Anthony wollte und machte. Sein Dürrenmatt ist recht dunkel geworden. "Das liegt am Inhalt des Stücks", erklärt der Mann mit dem Hut. Es ist ein Krimi, der in den Schweizer Alpen spielt. Es regnet pausenlos. Es wird gestorben. Wo fast alles schwarz ist, darf nicht einmal eine Wolke weiß sein. Anthony taucht seine in fahles Grün. "Sie soll wie ein Damokles-Schwert über der Bühne schweben." Die blutrote Schweizer Flagge passt dazu ganz hervorragend.

"Der Richter und sein Henker" Freitag, 24. September, 20 Uhr, Kathrin-Türks-Halle, Dinslaken.

(RP)
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