Kolumne Neu In Der Stadtbibliothek Der böhmische Samurai
Dinslaken · Der erstaunlich vielseitige Schriftsteller und Romancier Bernhard Setzwein hat jetzt einen ungewöhnlichen historischen Roman vorgelegt: "Der böhmische Samurai". In einer Mischung aus Faktentreue und Fiktion erzählt er über zwei Generationen hinweg, von 1896 bis 1945, die Geschichte der österreichisch-böhmischen Familie der Grafen von Coudenhove-Kalergi.
Der Roman beginnt mit der Heimkehr des Grafen Heinrich aus diplomatischen Diensten in Japan in sein Schloss im Böhmerwald 1896. In seiner Begleitung: seine Frau Mitsuko, die aus einer alten Samurai-Familie stammt und die er mit einer Sonder-Erlaubnis des Tenno in Tokio heiraten durfte, begleitet von seinen beiden Söhnen Richard und Johannes. Nach dem frühen Tod Heinrichs verwaltete Mitsuko das Erbe und lässt ihren beiden ältesten Söhnen in Wien eine exzellente Ausbildung zukommen.
Richard übernahm das geistige Erbe seines Vaters, wurde zum Begründer der Paneuropa-Bewegung und zum Gegner der Nazis, während sich Johannes zu einem opportunistischen Lebemann und Exzentriker entwickelte, der später auch mit den Nazis bestens zurechtkam.
Im Mittelpunkt des im Wesentlichen den historischen Fakten folgenden Romans steht allerdings nicht, wie man erwarten würde, die eindrucksvolle Persönlichkeit des Grafen Richard von Coudenhove-Kalergi, sondern die Lebensgeschichte seines schlitzohrigen Bruders Johannes, der 1945 als Nazi-Kollaborateur in einem tschechischen Lager landet, von dort aber fliehen kann. Seine letzten Lebensjahre verbringt Johannes dann - völlig verarmt - als stadtbekanntes Original in Regenburg (wie in einem Epilog nachzulesen ist). Die leicht zu lesende Familienchronik blendet immer wieder auch eindrucksvoll den Zeitkontext mit ein und ist überall dort, wo sie den Spuren des Lebemanns Johannes folgt, auch von beachtlicher humoristischer Qualität. Allen Freunden historischer Romane gern empfohlen!
DR. RONALD SCHNEIDER
Setzwein, Bernhard: Der böhmische Samurai: Roman; Haymon Verlag: 2017.
