Dinslaken "Denn auch die Zunge kann töten"

Dinslaken · Ökumenische Woche: Spannende Podiumsdiskussion über Meinungsfreiheit und die Grenzen der Satire

 Podiumsdiskussion mit (v.l.) Mirko Schombert, Gregor Kauling, Armin von Eynern, Willibert Pauels, Christian Peters und Matthias Höying.

Podiumsdiskussion mit (v.l.) Mirko Schombert, Gregor Kauling, Armin von Eynern, Willibert Pauels, Christian Peters und Matthias Höying.

Foto: Markus Joosten

"Wie weit geht die Meinungsfreiheit?" Diese Frage brannte den Organisatoren der Ökumenischen Woche in Dinslaken-Stadtmitte in diesem Jahr auf den Nägeln - und nicht nur ihnen, wie die Resonanz der Podiumsdiskussion am Dienstagabend zeigte: Fast alle Plätze im Saal des evangelischen Gemeindehauses an der Duisburger Straße waren besetzt. Nicht erst seit den Anschlägen auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" wird über die Grenzen der Meinungsfreiheit debattiert. Doch wann ist die Freiheit des Wortes, wann der Schutz religiöser Gefühle wichtiger? Auf diese schmale Gratwanderung begaben sich die Podiumsteilnehmer unter der Moderation von Pfarrer Armin van Eynern bei ihrer differenziert geführten Diskussion.

"Auch die Zunge kann töten", ist sich Kabarettist Willibert Pauels sicher. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, die Würde des Einzelnen aber noch wichtiger. Wo die Grenze der Satire liege, könne nicht pauschal festgelegt werden, es handele sich vielmehr immer um eine Einzelfallentscheidung. Mirko Schombert, Intendant der Burghofbühne, macht einen klaren Unterschied zwischen Verletzung und Verhetzung. Grenzverletzungen gebe es im Theater, aber Kunst und auch Presse müssten dahin gehen, "wo es weh tut", denn der Moment des Verletztseins erzeuge Widerstand. In den seltensten Fällen gehe es darum, persönliche Gefühle zu verletzen, sondern um eine kritische Auseinandersetzung.

Es ist die Frage nach der Perspektive, die die Beantwortung der Frage so schwierig macht, wie auch die Bemerkung von Dechant Gregor Kauling, dass religiöses Empfinden etwas Persönliches sei und viele nicht wüssten, dass sie eine Grenze überschreiten, verdeutlichte. Generell spielte die Unterscheidung zwischen einer persönlich empfundenen Verletzung und Kritik an Institutionen eine große Rolle. Matthias Höyng brachte es auf den Punkt: Meinungsfreiheit ja, aber ohne übermäßige Verletzungen, darin seien sich alle Podiumsteilnehmer einig. Daher stellte der Jurist die viel brisantere Frage, wie man mit solchen Verletzungen und religiösen Verunglimpfungen umgehen sollte?

Sanktionen seitens der Kirche würden nicht viel Sinn machen, sagte Gregor Kauling und sprach sich für ein "heilsames Danebensetzen" aus und dafür, mehr Verständnis für die Empfindsamkeit und das religiöse Gefühl anderer sowie mehr Gelassenheit zu entwickeln.

Der Journalismus könne als Antwort die Meinung dagegensetzen, erklärte NRZ-Redakteur Christian Peters. Die Medien müssten alle Dinge ansprechen, nicht das Mäntelchen des Schweigens darüber betten, sondern Kritik üben. Bereits im Alltag gebe es zu wenig Toleranz - und das nicht nur in Bezug auf Religion: "Die Meinungsfreiheit ist das höchste Gut, aber es darf nie über die Würde des Menschen gehen. Egal, um welches Thema es sich handelt."

Burghofbühnen-Intendant Mirko Schombert sieht in der Sanktion eher eine Möglichkeit der Reaktion, denn nur wenn etwas Relevanz habe, führe das zu einer Auseinandersetzung. Diese Wirkung hatte die Podiumsdiskussion auch bei den Zuhörern.

Deren Beiträge machten noch einmal die Komplexität der Thematik deutlich und es zeigte sich, dass es auch immer auf den Kontext und den Einzelfall ankommt, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz religiöser Gefühle liegt und dass Meinungsfreiheit ebenso immer mit dem menschlichen Miteinander und dem Verständnis zwischen den Kulturen und Religionen zu tun hat.

(RP)
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