Hünxe Das war ein Alptraum

Hünxe · Als damaliger Gemeindedirektor erlebte der heutige Hünxer Bürgermeister Hermann Hansen (63) den Brandanschlag auf das Asylbewerberheim an der Dorstener Straße 44 direkt mit. In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober war er einer der Hünxer, die die erste Hilfe vor Ort organisierten. RP-Mitarbeiter Sebastian Mühleis sprach mit dem Gemeindeoberhaupt über die Situation im Ort in der Zeit rund um den Anschlag, die Bedeutung für Hünxe, und welche Lehren für die heutige Zeit daraus gezogen werden müssen.

Herr Hansen, wie haben Sie den Brandanschlag in der Nacht des 3. Oktober 1991 erlebt?

Hansen Ich war sehr ergriffen, emotional äußerst aufgewühlt. Das war ein Alptraum, eine sehr schlimme Sache. Ich habe nicht gedacht, dass so etwas passieren kann – und wusste zu dem Zeitpunkt, als ich es erfahren habe, nicht, dass es Jugendliche aus dem Ort waren. Das hat mich noch mehr erstaunt. Wir haben damals mehrere Unterkünfte für Asylbewerber gehabt. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ausgerechnet an dieser Stelle etwas passiert – ich hätte es nicht geglaubt. Es gab eine Integration dieser Familie, die Kinder haben etwa in der Nachbarschaft geholfen, sind für ältere Bürger einkaufen gegangen. Menschlich gab es mit ihnen überhaupt keine Probleme. Ich hätte damals, wenn überhaupt, gedacht, dass an dem Asylbewerberheim auf dem ehemaligen BP-Gelände etwas passieren könnte, wo über 200 Flüchtlinge untergebracht waren.

Die Situation im Anschluss an den Anschlag war für die Gemeinde schwierig, schnell machte der Begriff "braunes Nest" die Runde. Und auch die Frage der Schuld ist vielerorts auf die gesamte Gemeinde übertragen worden. Wie sind Sie damit umgegangen?

Hansen Ich habe es bereits bei den Gedenkfeiern zum zehnten Jahrestag des Anschlags betont: Es gibt keine kollektive Schuld. Aber es gibt eine kollektive Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert. Insbesondere deshalb, weil es in jeder Kommune auch politische Strukturen im rechten Lager gibt. Wer das abstreitet oder nicht wahrhaben will, der irrt. An manche Menschen kommt man eben nicht heran.

Die drei Täter waren häufig im Drevenacker Jugendheim – umso verwunderter zeigten Sie sich, dass sie die Tat verübten. Weshalb?

Hansen Das Jugendheim in Drevenack leistet sehr gute Arbeit. Gerade beim Thema Ausländerfeindlichkeit haben sie damals vorzüglich auf die Jugendlichen eingewirkt. Und trotzdem ist die Tat passiert. Da muss es noch andere Einflussfaktoren gegeben haben – und zwar nicht den Alkohol, auch wenn sie alle alkoholisiert waren, als sie den Brandanschlag verübt haben. Sie haben billigend in Kauf genommen, dass Menschen schwer verletzt werden.

Was nehmen Sie persönlich mit, und welche Lehren aus der Tat wünschen Sie sich für die Allgemeinheit?

Hansen Ich hoffe, dass die damaligen Vorfälle alle Menschen nachdenklich gestimmt haben. Gewalt ist kein Mittel, um Probleme zu lösen. Es ist wichtig, die Menschen für solche Dinge zu sensibilisieren, damit solche Taten nie mehr passieren. Außerdem gilt es, wachsam zu bleiben – denn damals waren auch keine Anzeichen erkennbar. Deshalb ist es wichtig, sich gemeinsam für mehr Toleranz und gegen Ausländerfeindlichkeit stark zu machen. Da sind wir auf dem richtigen Weg – und müssen es auch weiterhin bleiben. Die Aussagen auf der Mahn- und Gedenktafel, "nicht vergessen, nicht verdrängen und nicht schweigen", sind die richtigen Leitmotive. Für mich persönlich war der Brandanschlag ein Schlüsselerlebnis in meinem Leben.

(seba)
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