Dinslaken Caritas beklagt "Hetzjagd" der Stadt

Dinslaken · Seit der Auseinandersetzung um den Neubau von Flüchtlingsunterkünften ist das Verhältnis zwischen Caritasverband und Stadt belastet - inzwischen so schwer, dass sich der Verband mit einem Offenen Brief an den Bürgermeister wendet.

 Da war die Zusammenarbeit noch ungetrübt. Bürgermeister Michael Heidinger (vorn) und Caritasdirektor Michael van Meerbeck begrüßten im Juli 2015 gemeinsam neu angekommene Geflüchtete, die auf die Schnelle untergebracht werden mussten.

Da war die Zusammenarbeit noch ungetrübt. Bürgermeister Michael Heidinger (vorn) und Caritasdirektor Michael van Meerbeck begrüßten im Juli 2015 gemeinsam neu angekommene Geflüchtete, die auf die Schnelle untergebracht werden mussten.

Foto: Büttner

"Bitte stellen Sie die bei uns als Hetzjagd empfundene Verhaltensweise ein." Caritasdirektor Michael van Meerbeck wählt in seinem Offenen Brief an Bürgermeister Michael Heidinger deutliche Worte, um klar zu machen, dass die Belastungsgrenze seines Verbandes "bei Weitem überschritten" ist. In dem Schreiben, das, wie der Caritasdirektor voran schickt, dem Ziel dienen soll, den entstandenen Konflikt mit der Stadt Dinslaken zu beenden, listet van Meerbeck auf vier Seiten auf, was aus Sicht seines Verbandes dem Konflikt vorausgegangen ist und weshalb sich die Caritas und ihre Mitarbeiter höchst ungerecht behandelt fühlen.

Der Caritasdirektor erinnert daran, dass sein Verband im Jahr 2013 auf Wunsch der Stadt die Verantwortung für die Unterbringung und die Betreuung der Flüchtlinge übernommen hat und was dann auf diesem Gebiet in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Stadt erreicht worden sei. Van Meerbeck weist darauf hin, dass die Stadt die Caritas um unbürokratische Hilfe gebeten habe, als ab dem Jahr 2015 immer mehr Flüchtlinge untergebracht werden mussten.

Diese Bitte habe die Caritas, die dazu alle ihre Ressourcen mobilisiert hätte, erfüllt und sei sich dabei mit der Stadtverwaltung einig gewesen im gemeinsamen Ziel, die Geflüchteten menschenwürdig unterzubringen, zu versorgen und zu begleiten und gleichzeitig die Stadtgesellschaft so wenig wie möglich zu belasten. Der Rat habe dann im Frühjahr 2016 den Bau neuer Unterkünfte beschlossen, die der Caritasverband schließlich nach Nachfrage beim Bürgermeister und auf dessen ausdrücklichen und unmissverständlichen Wunsch bei örtlichen Firmen mit einem Investitionsvolumen von rund 8,8 Millionen Euro in Auftrag gegeben habe. Nachdem der Bauverwaltung aufgefallen sei, dass das von der Stadt zu diesem Zweck gepachtete Gelände nur für wenige Jahre zur Verfügung gestanden hätte, habe diese dann den Baustopp für fünf noch zu errichtende Gebäude verhängt.

Die Suche nach möglichen Kompromissen sei gescheitert. "Die Stadtverwaltung hat den Caritasverband nicht nur im Jahr 2013, sondern Sie persönlich haben im Namen der Stadt in der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahre 2015 um Hilfe und Beistand gebeten. Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten geholfen", erinnert van Meerbeck den Bürgermeister. Die Stadt habe mit dem Caritasverband Verträge über die Errichtung der Notunterkünfte abgeschlossen.

Daran anschließend habe der Caritasverband die örtlichen Baufirmen beauftragt. Die Stadt habe ihre Aufträge gegenüber dem Caritasverband gekündigt. Dieser habe sich deswegen genötigt gesehen, ein Gleiches gegenüber den Baufirmen zu tun. Die Stadt müsse sich nun Vergütungsansprüchen in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro stellen.

Die Auseinandersetzung über die Flüchtlingsunterkünfte sei so umfassend, dass sie alle Beteiligten seit über einem Jahr beschäftige. Was aber aus Sicht des Caritasverbandes noch schwerer wiegt und was ihn von "Hetzjagd" sprechen lässt, ist, dass die Stadt den Konflikt aus seiner Sicht auf die übrigen Felder der Zusammenarbeit übertragen hat.

Alle Leistungen und jegliches Handeln des Caritasverbandes schienen auf dem Prüfstand zu stehen. So seien beispielsweise Leistungen der Caritas im Bereich der Jugendhilfe aus dem Jahr 2016 erst im September 2017 von der Stadt ausgezahlt und für 2017 vereinbarte Abschlagszahlungen nicht geleistet worden. Sowohl durch das veränderte Prüfverhalten der Stadt als auch durch ihre Zahlungsmoral seien beim Caritasverband unterjährig Forderungen von bis zu drei Millionen Euro entstanden.

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister", fragt der Caritasdirektor, "wäre es nicht an der Zeit, wieder zu einem normalen Zusammenwirken im Sinne der Menschen zurückzukehren und das Problem des Entzugs der Bauaufträge durch ein geeignetes Verfahren, beispielsweise ein außergerichtliches Mediationsverfahren zu lösen?" Der Caritasverband habe in keiner Weise etwas dagegen, dass sein Handeln geprüft werde. Dass er aber seit nun einem Jahr ständig von der städtischen Rechnungsprüfung begleitet werde, die immer wieder neue Unterlagen einfordere und Nachweise anzweifele, sei völlig überzogen.

Der Caritasdirektor schließt mit einem bitteren Fazit: "Wir bereuen zutiefst, dass wir im Vertrauen auf das über Jahrzehnte gewachsene Fundament der Zusammenarbeit auf die Bitte um Hilfe im Jahr 2015 eingegangen sind."

Und er verweist darauf, dass die Caritas inzwischen Konsequenzen gezogen hat. Neue Projekte, wie die Anfrage der Stadt zur Schaffung von Großtagespflegen würde er nicht mehr ins Auge fassen. Die Errichtung einer Pflegeschule in städtischen Gebäuden habe er nicht weiterverfolgt, um neue Konfliktfelder zu vermeiden und deswegen den bereits abgeschlossenen Mietvertrag gekündigt. "Wir werden uns in keiner Weise unserer Verantwortung für die Menschen in unserer Stadt verschließen. Aber wir sind nicht länger bereit, uns so behandeln zu lassen", schreibt van Meerbeck.

(RP)
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