Buchtipp Liebesnovellen und Raubtiergeschichten

Dinslaken · Vor knapp drei Jahren wurde den RP-Lesern hier die fesselnd zu lesenden Lebenserinnerungen Wolf Biermanns vorgestellt, die es auf Anhieb auch auf einen der vordersten Plätze der Bestsellerliste brachten („Warte nicht auf bessre Zeiten“).

 Nun hat der inzwischen 82-jährige Liedermacher eine Sammlung autobiografischer Erzählungen vorgelegt, die seine Memoiren auf erzählerisch unterhaltsame Weise ergänzen, aber auch über sie hinaus gehen: „Barbara. Liebesnovellen und andere Raubtiergeschichten“.

Die meisten dieser 18 „wahren Geschichten“ (Klappentext) spielen in der DDR, von den späten 1950er Jahren bis zur Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR im November des Jahres 1974 – und das waren sicherlich seine prägendsten und zugleich literarisch produktivsten Jahre als Liedermacher und Lyriker.

Der Band enthält zum einen anekdotenhaft zugespitzte Porträts von Freunden und Weggefährten Biermanns, zum Beispiel von Manfred Krug und Robert Havemann, die auf einer Autofahrt, ohne sich zu (er)kennnen, handgreiflich wurden, oder von der Brecht-Gefährtin Ruth Berlau und ihrem traurigen Schicksal in der DDR. In anderen Erzählungen beleuchtet Biermann den lebensgeschichtlichen Hintergrund bekannter Lieder und Balladen oder erzählt tragikomische Geschichten aus dem Lebensalltag in der DDR, zum Beispiel von Monika aus dem Hinterhof, die an der Homosexualität ihres Mannes zerbrach, oder von „Kohlen-Otto“ und seinen Schicksalsschlägen.  .

Daneben stehen aber auch deftige Liebesgeschichten, an deren chauvinistischen Tönen sicherlich manche Leser/-innen Anstoß nehmen werden. Da ist z. B. die die Affäre mit der beißwütigen Ballett-Tänzerin Barbara oder die heiße Liebesbeziehung zu der schönen Garance, die sich in West-Berlin für die Stasi prostituieren musste.Man erfährt in diesen höchst unterhaltsamen, humorvollen und zum Teil auch bewegenden Erzählungen viel über die Konflikte zwischen selbstständig denkenden DDR-Bürgern und der gänzlich humorlosen Staatsmacht. Der Leser lernt aber auch das Alltagsleben Wolf Biermanns kennen und seine mühsame Loslösung von der kommunistischen Heilslehre, aber auch seine nicht weniger mühsame Reifung vom egozentrischen „Frauensammler“ zum Verantwortung übernehmenden Dauer-Lebensgefährten.

Wolf Biermann: Barbara. Liebesnovellen und andere Raubtiergeschichten, Ullstein Verlag, Berlin 2019

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