Neu in der Stadtbibliothek Dinslaken Ein autobiographisches Endspiel

Der letzte Roman Peter Härtlings

Der im letzten Jahr im Alter von 83 Jahren verstorbene Romancier und Kinderbuch-Autor Peter Härtling hatte schon vor Jahren seine Lebenserinnerungen vorgelegt („Leben lernen“, 2013) , die durch ihre Ehrlichkeit, ihr authentisches Zeitkolorit und die farbigen Porträts der Weggefährten Härtlings überzeugten. Daran schließt sein jüngster autobiographischer Roman „Der Gedankenspieler“ unmittelbar an, den Härtling noch vor seinem Tod im Juli 2017 vollenden konnte. Es ist ein bewegender Abschied vom Leben: das Selbstporträt des Autors als alter, hinfällig gewordener Mann an, der noch einmal einen Weg zurück ins Leben sucht – und findet.

Allerdings hat Härtling sich hier in eine Kunstfigur verwandelt: in den 83-jährigen kunstsinnigen Architekten Johannes Wenger, den ein Sturz an seine Wohnung und an den Rollstuhl fesselt. Er ist ein allein lebender Griesgram, der nur schwer fremde Hilfe annehmen kann und der diese letzte Wegstrecke als demütigenden Ich-Verlust erfährt. Trotz aller medizinischer Maßnahmen geht es weiter abwärts mit ihm, bis er am Ende auch noch auf die Dialyse angewiesen ist.

Und auch seine Ausbruchsversuche aus dem Siechenlager bringen nur kurze Entlastung, für die er einen hohen Preis zu zahlen hat. Dank seines jungen Arztes Dr. Mailänder, mit dem er sich befreundet,  und dessen kleiner Tochter Katharina, die ihm ans Herz wächst und neuen Lebensmut gibt, findet er einen Weg zurück ins Leben. Und in Briefen, die er in Gedanken an ihm in seinem Leben Nahestehende schreibt, vergegenwärtigt Wenger sich noch einmal sein Leben – dankbar für alles Gelungene.

Die lakonisch und gänzlich unsentimental erzählte Krankengeschichte ist eine bewegende Beschwörung der letzten Wegstrecke, die vor uns liegt, aber auch der Lebenschancen, die auch Siechtum und Gebrechlichkeit noch für uns bereit halten – wenn wir sie mutig ergreifen. Härtlings letzter Roman hat aber auch noch eine zeitkritische Dimension, denn für Wenger spiegelt sich im eigenen körperlichen Verfall auch der moralische Verfall unserer Gesellschaft.

So macht diese sehr persönlich berührende Darstellung der letzten Lebensphase dem Leser zugleich Mut, auf sie konstruktiv zuzugehen.

Peter Härtling: Der Gedankenspieler. Roman; Kiepenheuer & Witsch Verlag 2018

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort