Buchkritik Wie Peter den Sex erfand

Der Schriftsteller Peter Probst, 1957 in München geboren, hat sich als vielseitiger Drehbuchautor und Verfasser spannender Kriminalromane einen guten Ruf erarbeitet. Mit seinem neuen Roman über die ersten Liebeserfahrungen eines pubertierenden Jungen, „Wie ich den Sex erfand“, macht er einen überraschenden literarischen Neuanfang.

 Eine Lesebrille liegt auf einem Stapel aufgeklappter Bücher.

Eine Lesebrille liegt auf einem Stapel aufgeklappter Bücher.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Peter Gillitzer ist der Sohn eines stockkonservativen Augenarztes, der in einem kleinen Ort im ländlichen Umfeld Münchens in den 1960er-Jahren eine wohl behütete Kindheit erlebt hat. Jetzt, im Alter von 12, später von 13 Jahren, halten ganz neue Reize und Erfahrungen Einzug in Peters Leben, die er mit der Sittenstrenge seines katholischen Elternhauses nicht mehr in Einklang bringen kann. Er beginnt „geheimnisvolle Wörter“ wie „Beischlaf“, „Unzucht“ oder „unbefleckte Empfängnis“ in ein Heft einzutragen – in der Hoffnung, sie von irgendjemandem einmal erklärt zu bekommen. Und da niemand ihn aufklärt, versucht er sich am Kiosk über einschlägige Illustrierte Einblick in die Äußerlichkeiten der weiblichen Physiognomie zu verschaffen.

In der Schule versucht Peter jetzt so zu tun, als hätte er schon einschlägige Erfahrungen mit Mädchen gemacht – und blamiert sich dabei gründlich. Erst als er mehr oder minder zufällig zum Lebensretter seiner Schulkameradin Gabi wird, steigt sein Ansehen in der Schule – und damit auch seine Chancen bei den Mädchen. Gegen das Verbot seines Vaters („Vom Küssen wird man krank“) geht er zu seiner ersten Party, wird zum ersten Mal geküsst und „erfindet“ für sich endlich auch den geheimnisvollen Sex.

Gleichzeitig mit den neuen erotischen Erfahrungen Peters dringt auch die Jugendrevolte der frühen 70er Jahre in sein Leben ein und sprengt endgültig die Enge seines bisherigen katholisch-konservativen Weltbildes

Der rundum gelungene und hoch unterhaltsame „Coming-of-Age-Roman“ ist randvoll turbulenter Szenen, verblüffender Wendungen und aberwitziger Situationskomik. Und er überzeugt auch im (keineswegs nur bajuwarischen!) Zeitkolorit der frühen 1970er-Jahre. Für den, der in diesen Jahren aufwuchs, berührend nostalgisch und absolut authentisch, aber auch als Adoleszenz-Roman zeitlos aktuell und absolut lesenswert.

Ronald Schneider

Peter Probst: Wie ich den Sex erfand. Roman, Kunstmann Verlag 2020

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort