Dinslaken BAP - auch unverstärkt ganz stark

Dinslaken · Wolfgang Niedecken und seine glänzend aufgelegte Band ziehen beim Fantastival den Stecker: Die Kölsch-Rocker begeistern das Publikum im ausverkauften Dinslakener Burgtheater mit einem dreistündigen Akustik-Konzert.

 Wolfgang Niedecken (3. von links) und seine Band wussten ihr Publikum bei ihrem stimmungsvollen Fantastival-Auftritt zu begeistern.

Wolfgang Niedecken (3. von links) und seine Band wussten ihr Publikum bei ihrem stimmungsvollen Fantastival-Auftritt zu begeistern.

Foto: Martin BÜttner

Wolfgang Niedecken hat einen guten Schutzengel. Gleich nach dem zweiten Song bedankt er sich bei ihm. Und jeder der gut 2100 Zuhörer im ausverkauften Burgtheater weiß, warum. Das Publikum sieht einen Mann, der einen Kampf hinter sich hat. Er ist gezeichnet, aber er hat ihn gewonnen, hat sich nach seinem Schlaganfall vor drei Jahren zurückgespielt ins Leben, zurück auf die Bühne, wo er nun sanftere Töne anschlägt. Mit BAP zieht er den Stecker für ein Akustik-Konzert voll sanfter Balladen, die so gar nichts gemein haben mit dem druckvollen, rotzig-frechen Kölsch-Rock, den die Band hier vor fünf Jahren durch die Boxen pumpte.

"Das mit dem Unplugged ist natürlich Unfug", klärt Niedecken auf, "der gezogene Stecker ist ein Märchen. Wenn wir unsere Instrumente entstöpseln, würdet ihr ab der dritten Reihe nur noch das Schlagzeug hören." Und dann lädt der Geschichtenerzähler mit der dunkelbraunen Stimme das Publikum zu einer Weltreise auf dem fliegenden Teppich ein. Sie führt von Patagonien über Uganda und Costa Rica nach Marokko in die Niederlande und wieder zurück. Viele Instrumente sind mit an Bord: Akustik-Gitarren, Geigen, Cello, Posaune, Piano, Pedal-Steel-Guitar, Metallophon, Kontrabass, Trommeln, indische Drehleier.

Die BAP-Fans erleben kein Best-of-Programm, sondern eine erlesene Mischung von selten gespielten und immer wieder gern gehörten Stücken. Manche wurden erst gestern geschrieben, andere stammen aus der Steinzeit ("Anna", "Jupp", "Kristallnaach"). Aus krachenden Rock- und rebellischen Blues-Nummern werden melancholische Folksongs, märchenblaue Sehnsuchtslieder, gefühlvolle Liebesschwüre, akustische Perlen - neu arrangiert, neu instrumentiert, versehen mit neuen Inhalten. Die Idee dazu reifte beim Fantastival 2009. Niedecken und das Burgtheater, das war Liebe auf den ersten Blick. Dass es so lange dauerte, bis daraus ein völlig entschleunigtes Konzerterlebnis wurde, "hat mit diesem dämlichen Schlaganfall zu tun", sagt Wolfgang Niedecken. "Wer weiß, ob ich sonst überhaupt hier wäre." 63 Jahre alt ist der Musiker, den sie früher in Köln Südstadt-Dylan nannten. Auch die Zuhörer im Burgtheater sind nicht mehr die jüngsten. Viele sind mit dem kölschen Troubadour "Zosamme alt" geworden. Und spätestens, als die ersten Töne dieses schönen Songs völlig entspannt durch das Burgtheater schweben, und Niedecken mit rauer, reifer, etwas brüchig gewordener Stimme die Vergangenheit beschwört, da ist es wieder spürbar, dieses Glücksgefühl, gepaart mit einem Hauch von Sentimentalität, das aus einem solchen Abend einen ganz besonderen macht.

Über drei Stunden sorgen Wolfgang Niedecken und seine glänzend aufgelegte Band für beste Unterhaltung. Anne de Wolff (Cello, Geige, Posaune) sowie der marokkanischen Percussionist Rhani Krija erspielen sich mehrfach einen Sonderapplaus. Niedecken sowieso. Als er nach langem Warten die erste Zeile von "Verdamp lang her" ins Mikro flüstert, gibt es auf den Rängen kein Halten mehr. Das Publikum klatscht, tanzt, singt mit. Im doppelten Zugabenblock knistern beim schönsten kölschen Liebeslied der Welt ("Do kannz zaubre") die Wunderkerzen. Gänsehautgefühl pur. Niedecken winkt ins Publikum, lächelt. Die Band verbeugt sich. Was für ein großartiger Fantastivalabend.

(RP)
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