Vortrag am Berufskolleg Dinslaken Einschreiten, wenn Unrecht geschieht

Dinslaken · Anne Prior sprach am Berufskolleg an der Wiesenstraße zu den Jugendlichen über die Pogromnacht von November 1938. Sie beleuchtete die Ereignisse, die sich vor 80 Jahren in Dinslaken zugetragen haben.

 Anne Prior sprach im Berufskolleg über das Novemberpogrom 1938. Willkommen geheißen wurde sie von Schulleiter Uwe Neumann (links) und Lehrer Markus Wolf.

Anne Prior sprach im Berufskolleg über das Novemberpogrom 1938. Willkommen geheißen wurde sie von Schulleiter Uwe Neumann (links) und Lehrer Markus Wolf.

Foto: Heinz Schild

Unter dem Begriff „Kristallnacht“ ist das Pogrom, das am 9. und 10. November 1938 in Deutschland stattfand, in die Geschichte eingegangen. Damals, vor 80 Jahren, gab es von den Nationalsozialisten organisierte und gelenkte gewalttätige Aktionen gegen Juden – auch in Dinslaken fanden sie statt. Über diese Ereignisse und deren Hintergründe berichtete am Dienstag Anne Prior überaus kenntnisreich vor Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs im Forum der Schule an der Wiesenstraße.

Uwe Neumann, Leiter des Berufskollegs, hieß die Referentin, die Vorsitzende des Vereins „Stolpersteine für Dinslaken“ ist und seit Jahrzehnten die Schicksale Dinslakener Juden erforscht, herzlich willkommen. Sie begleitet die Schule schon seit Jahren, gibt ihre Kenntnisse an die Jugendlichen weiter und ermuntert die Schüler, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und daraus zu lernen. Neumann sprach kurz an, worauf Anne Prior in ihrem Vortrag dann näher einging: dass das Berufskolleg damals in mehrfacher Weise von der Pogromnacht betroffen gewesen ist. „Der damalige Schulleiter Erich Hildebrand schickte seine Schüler auf den Weg, sich am Pogrom zu beteiligen. Er war ein Nazi, der seine Schüler für solche Taten missbrauchte“, stellte Neumann fest. Ein Opfer jener gewalttätigen Übergriffe war Leopold Strauß. Der Lehrer wohnte im Haus Duisburger Straße 100, dort wurde zur Erinnerung an ihn im Jahre 2012 der erste Stolperstein in Dinslaken verlegt.

Anne Prior zeigte den Schülern des Berufskollegs ein Foto, auf dem zu sehen war, wie sich die Neustraße im Jahre 1938 darstellte, mit dem israelitischen Waisenhaus und den Schienen für die Straßenbahn, die damals dort fuhr. Das Novemberpogrom, so sagte Prior, sei inszeniert worden und kein Ausbruch des Volkszorns gewesen. „Es gab damals jede Menge Schaulustige, die vollkommen passiv zugeschaut haben“, stellte Anne Prior fest. In Dinslaken wurde das israelitische Waisenhaus überfallen, jüdische Bürger wurden in ihren Häusern heimgesucht, drangsaliert und geschlagen, man schändete den jüdischen Friedhof. Prior zeigte einige Bilder der Opfer, „um ihnen Namen und Gesicht zu geben“ – wie beispielsweise den Familien Leven und Moses, der Schneiderin Betty Wolff oder Dagobert und Anna Isaacson.

Über die Rolle, die Berufsschuldirektor Erich Hildebrand beim Novemberpogrom 1938 spielte, gibt es einige Erkenntnisse. Gertrud Kamps, die ein Lebensmittelgeschäft an der Blücherstraße hatte, sagte 1949 aus, Hildebrand habe Schüler und SA-Männer dirigiert. Salli Stahl versicherte 1951 eidesstattlich, der Berufsschuldirektor Hildebrand sei es gewesen, der die Ausschreitungen angeführt habe. Der Entnazifizierungsausschuss Dinslaken stellte 1946 fest, dass jener Erich Hildebrand es gewesen sei, der mit einigen seiner Schüler den Friedhof der jüdischen Gemeinde geschändet, Denksteine umgeworfen und Gräber verwüstet habe. 1954 wurde Erich Hildebrand dann der Prozess wegen schweren Landfriedensbruchs gemacht. Er wurde trotz Zweifels an seiner Unschuld freigesprochen, da seine Beteiligung nicht nachweisbar gewesen sei.

Am Ende des Vortrags appellierte Schulleiter Uwe Neumann an seine Schüler, aus der Vergangenheit zu lernen, sich zu Wort zu melden und einzuschreiten, wenn Unrecht geschehe, sich für andere einzusetzen.

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