Unsere Woche Ach hättet ihr doch geschwiegen, liebe Aufsichtsräte

Dinslaken · Warum in Sachen Stadtwerke Realismus gefragt ist.

Was ich Ihnen erzählen wollte. Ich hab gerade einen Lottoschein ausgefüllt. Und dann bin ich in Erwartung des sicheren Gewinnes ins Reisebüro gegangen und hab für mich und meine Frau eine Traumreise gebucht. Was soll ich Ihnen sagen. Die Gattin hat sich gar nicht gefreut, als ich es ihr erzählt habe. Im Gegenteil geschimpft hat sie, hat kleinlich rumgenölt. Die Ziehung der Gewinnzahlen wär doch erst heute Abend, wie ich denn so viel Geld ausgeben könnte, das ich doch noch gar nicht habe, hat sie mich gefragt. Ich hätte doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, hat sie gesagt. Manchmal kann meine Frau eine ganz schöne Spaßbremse sein. Realismus nennt sie das. Warum ich Ihnen das erzähle?

Ganz einfach. Weil ich mir - natürlich in allerbester Absicht, ich wollte halt meiner Frau mal eine Freude machen - ein Beispiel an Dinslakener Politikern genommen habe, präziser gesagt, an Politikern, die im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzen. Die waren nämlich mit den Stadtwerken auf Chinatour und haben von dort eine Absichtserklärung mitgebracht, in der steht, dass man gemeinsam gute Geschäfte machen möchte. Wenn's was wird, könnte für die Stadtwerke mindestens eine halbe Million Euro jährlich drin sein. Und was machen die Politiker, als sie wieder im beschaulichen Dinslaken gelandet sind? Sie machen ein Fass auf, verkünden, dass sie schon wissen, was sie mit dem Geld machen wollen. Das soll nämlich Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, zugutekommen. Parkgebühren wollen sie senken, Fahrradwege ausbauen. Und jetzt sind Sie dran mit dem Spaß bremsen. Ja, schon klar, die Chancen, dass die Stadtwerke, das Unternehmen ist schließlich für erfolgreiches Wirtschaften bekannt, die China-Kontakte in bares Geld ummünzen werden, sind deutlich höher als meine auf einen Lottogewinn. Dennoch werden Sie nicht bestreiten wollen, dass Politik, die Wohltaten verspricht, ohne das Geld, das sie dafür braucht, eingenommen zu haben, nicht wirklich solide ist. Gut, werden Sie jetzt vielleicht sagen, von Politik in diesen unseren Tagen zu verlangen, dass sie sich zumindest um den Anschein bemüht, solide zu agieren, ist dann doch ein etwas arg überzogener Anspruch. Das eigentliche Problem ist aber ein anderes. Es geht um das Selbstverständnis von Politikern, speziell von denen, die als Aufsichtsräte ein wachsames Auge auf städtische Unternehmen haben sollen. Diese politischen Aufsichtsräte sind zunächst und in allererster Linie, dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Und deswegen sollte man von ihnen auch erwarten, dass sie, wenn das Unternehmen neue Geschäftsbeziehungen anknüpft, erst einmal abwartet, wie sich die Dinge so entwickeln, ob so ein Unternehmen, das Geld, das es zu Beginn dieser Geschäftsbeziehungen einnimmt, möglicherweise erst einmal dazu braucht, weiter in diese Geschäfte zu investieren, um dann womöglich noch mehr Geld zu verdienen. Klar, den Stadtwerken geht's gut, und deswegen sollen sie auch ihren Beitrag leisten, dass es ihrer Eigentümerin Stadt - und damit allen Dinslakenern gut geht. Das tun sie ja auch. Ohne die neun Millionen Euro, die der Kämmerer jedes Jahr als Ausschüttung aus dem Gewinn der städtischen Töchter einplant, wäre jeglicher politische Gestaltungsspielraum schon längst perdu. Ohne die Stadtwerke hätte die Politik das Hiesfelder Bad nicht retten können. Die Stadtwerke übernehmen einen beachtlichen Beitrag zur Finanzierung von Kultur und Vereinsleben. Aber auch die beste Kuh im Stall lässt sich nicht endlos melken. Wenn Politik jetzt auch noch die Erträge verfrühstücken will, die die Stadtwerke noch gar nicht erzielt haben, dann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem alle Alarmglocken schrillen müssen.

Wenn die Politik dafür nicht mehr die nötige Portion Realismus aufbringen kann, hilft ihr vielleicht ein Blick ins chinesische Horoskop. 2018 ist in China das Jahr des Hundes. Und was lesen wir da? "Bei den Finanzen ist solides Wirtschaften und sorgfältiges Rechnen Trumpf. Spekulationen, riskante Investitionen und Glückspiel gehen nun schnell ins Auge. Finger weg!"

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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