Unsere Woche Abenteuerliche Traditionspflege

Dinslaken · Warum eine zweite Kirmes nichts zur Erinnerung an die lange Bergbautradition beitragen kann, auch wenn sie mit allerlei Bergbaurequisite verkleidet werden sollte.

Hand aufs Herz! Was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn sie an den Bergbau und seine in diesen Tagen zu Ende gegangene Geschichte denken. Ja genau, ist doch sonnenklar: Kirmes. Und deswegen ist es natürlich auch eine Spitzenidee, dass Dinslaken zur Erinnerung an die lange Tradition der Region als Bergbaurevier eine Bergmannskirmes etablieren will.

Boah, glaubse. Die Nummer hätte ja vielleicht noch ein kleines bisschen Sinn gehabt, wenn eine solche Kirmes tatsächlich auf dem alten Zechengelände, womöglich mit einer Achterbahn, deren Wägelchen den Loren nachgebildet wären, veranstaltet würde. Aber selbst dann wäre sie nicht mehr als putzige Folklore gewesen, die der Bedeutung des Bergbaus für Dinslaken und die Region nicht einmal im Ansatz gerecht würde. Als wenn es in dieser Stadt nicht genügend andere Möglichkeiten gebe, die Erinnerung an den Bergbau und daran, wie er das Leben der Menschen geprägt hat, wachzuhalten, was ja im Übrigen auch schon auf die vielfältigste Weise geschieht. Und wenn's denn unbedingt ein Volksfest mit Bergbaucharakter - was auch immer man sich darunter vorstellen muss - sein soll, warum dann nicht tatsächlich am Ort des Geschehens, an dem Bergleute seit 1909 die Kohle zu Tage gefördert haben, als richtiges Bergmannsfest ohne den ganzen Kirmesrummel.

Was aber soll eine mit allerlei Bergbaurequisite verkleidete "zweite" Martinikirmes an der Trabrennbahn zur Erinnerung an die Bergbautradition beitragen? Und dabei haben wir noch gar nicht darüber gesprochen, dass es doch ziemlich grober Unfug ist, eine Traditionskirmes ausgerechnet an einem Ort begründen zu wollen, von dem klar ist, dass er nur noch bis zum Jahr 2021 zur Verfügung stehen wird. Dann nämlich wird die ja auch schon recht alte Tradition der Trabrennen in Dinslaken ebenfalls Geschichte sein.

Aber, wer weiß, vielleicht ist das ja für die Kirmesfreunde dann die Gelegenheit, eine dritte Kirmes - die Traberkirmes - aufzulegen. Spätestens dann wird es allerdings Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, in Dinslaken einen ganzjährig zur Verfügung stehenden Platz auszuweisen, um dort Martinikirmes, Bergmannskirmes, Traberkirmes und wer weiß jetzt schon, was sich sich sonst noch so an Volksfesten mit ganz besonderem Charakter denken ließe, stattfinden zu lassen.

Aber mal ernsthaft: Die Überlegungen, eine Bergmannskirmes auf die Beine zu stellen, sind nicht nur deswegen höchst zweifelhaft, weil alle Versuche, sie als irgendeine Form von Traditionspflege zu erklären, ganz offensichtlich an den Haaren herbeigezogen sind. Sie sind es auch deshalb, weil hier Geld ausgegeben werden soll, für etwas, dessen tieferen Nutzen zu begreifen, wohl nur einer überschaubaren Zahl von Menschen vergönnt sein dürfte.

Die Verantwortlichen im Rathaus und in der Politik, die Ideen wie die Bergmannskirmes vorantreiben, sollten sich dringend überlegen, dass es ihnen auch weiter sehr schwerfallen wird, die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Investitionen zu erklären, wenn sie, auch wenn das eine mittelbar nichts mit dem anderen zu tun hat, nicht auf allen Feldern unter Beweis stellen, dass sie verantwortungsbewusst mit Geld umgehen.

Ich wünsche ihnen ein angenehmes Wochenende

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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