Dinslaken 30 Jahre Liebeskummer

Dinslaken · Ansgar Wallenhorst spielte am Sonntagabend in der Sankt Vincentius Kirche die Orgelwerke des französischen Komponisten César Franck, die er mit eigenen Improvisationen reflektierte und spiegelte.

Um César Franck adäquat spielen zu können, hatte Ansgar Wallenhorst einmal gehört, müsse man zuvor etwa 30 Jahre schweren Liebeskummer ertragen haben. Das nun habe er glücklicherweise nicht, trotzdem gebe er sich selbstverständlich allergrößte Mühe, die drei Choräle des französischen Komponisten möglichst authentisch zu Gehör zu bringen, versprach der geborene Walsumer in seiner knappen Begrüßungsrede.

In Dinslaken ist Ansgar Wallenhorst ein alt bekannter und gern gesehen Gast. Von 1982 bis 1991 wirkte er kirchenmusikalischen in Sankt Marien; seit 1998 ist er als Kantor in Ratingen tätig, zählt zu seinen "musikalischen Wurzeln" aber auch immer noch die Sankt Vincentius Kirche. "Meine alte musikalische Heimat", nennt er sie, und sein Publikum nickte und freute sich sichtlich, dass er diese auch nach all den Jahren nicht vergessen hat und immer mal wieder mit einem Besuch beglückt.

Gerade erst kehrte Wallenhorst von einem Orgelfestival in Australien zurück. "Hochkarätig" konnte man seinen Auftritt also schon vor der ersten gespielten Note nennen.

César Franck, den Wallenhorst an diesem Abend zu Gehör brachte, gehört zu den bekanntesten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Als Organist und Lehrer am Conservatoire in Paris hatte sich Franck in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens hoher Wertschätzung erfreuen können. Die drei Choräle, die Ansgar Wallenhorst jeweils am Ende mit eigenen Improvisationen spiegelte, schrieb der Komponist im Sommer vor seinem Tod im Jahre 1890 als Hommage an Johann Sebastian Bach.

Donnernd rollen die Strophen durch das Kirchenschiff, sorgten aber immer wieder für Abwechslung und Tempiwechsel: Mal rauschten sie einer gewaltigen Welle gleich durch den Kirchenkorpus, dann wieder wirbelten die Töne sacht und zart wie eine Feder zu den Zuhörern hinab.

Knapp 90 Minuten erfüllten die Choräle in E-Dur, H-Moll, A-Moll und ihre Improvisationen die Zuschauerreihen, in denen ein Großteil des Publikums die Augen genussvoll geschlossen hielt. Ansgar Wallenhorst, der 1991 sein Kirchenmusik A-Diplom ablegte und im Alter von 25 Jahren das Meisterklassen-Diplom der Würzburger Musikhochschule erhielt, bestach dabei mit seiner schöpferischer Interpretations- und besonders Improvisationskunst.

So war ihm nach der letzten Zugabe ein langer Applaus sicher. Und das ganz ohne 30 Jahre Liebeskummer.

(RP)
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