Düsseldorf Silvester-Zeuge: "Brisanz war unübersehbar"

Düsseldorf · Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss "Silvester" schließt die Beweisaufnahme ab.

176 Zeugen, rund 60 Sitzungen, fast 1000 elektronische Dateiordner: Mit der Befragung des Kriminalpsychologen Rudolf Egg hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zur Aufklärung der massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht 2015/16 gestern seine Beweisaufnahme abgeschlossen. Im März soll der Abschlussbericht vorliegen.

Egg, der über 1000 Anzeigen zur Silvesternacht ausgewertet hat, brachte die zentrale Frage auf den Punkt, die seit fast einem Jahr unausgesprochen den gesamten PUA leitet: Die in den Anzeigen schon bis zum Neujahrsabend 2016 formulierten Schilderungen von Übergriffen ganzer Horden auf einzelne Frauen seien so ungewöhnlich, dass "man daraus sofort die Brisanz der Vorgänge hätte erkennen müssen". Dennoch dauerte es Tage, bis die Landesregierung davon erfahren haben will. Egg: "Ich kann nicht verstehen, warum das nicht sofort erkannt und an obere Stellen übermittelt worden sein soll." Entweder es habe Kommunikationsfehler gegeben, "oder da wurde etwas vertuscht oder verschwiegen", so Egg.

Von Anfang an wollte der PUA nicht nur die Ursachen der Ausschreitungen aufklären, sondern auch, warum die Landesregierung selbst sich erst am 4. Januar dazu geäußert hat. Während der PUA einen Vertuschungsversuch wohl nicht nachweisen konnte, ist ihm die Klärung der Ursachen aber gelungen: Die Polizei war unterbesetzt und verzichtete zudem auf Verstärkung. Hinzu kam eine desaströse Einsatzleitung: Zum Beispiel erklärte der Chef der Leitstelle, bei dem alle Fäden zusammenlaufen sollten, er habe überhaupt nichts von den Vorfällen mitbekommen.

Von Anfang an war der PUA aber auch eine Arena für den Wahlkampf. SPD und Grüne kleideten ihre Versuche, Schaden von der Landesregierung abzuwenden, in umständliche Fragen an die Zeugen. Umgekehrt wollten CDU und FDP am liebsten nur über die Rollen von Innenminister Ralf Jäger und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) reden, so dass der routinierte PUA-Vorsitzende Peter Biesenbach viel Kraft und Diplomatie brauchte, um das zwölfköpfige Gremium beim Thema zu halten. Eine Nebenbemerkung von Egg gestern hatte das Zeug zum Schlusswort: "Wenigstens zeigt der PUA den Frauen, dass sie ernst genommen werden, dass hier nichts klein geredet oder kaputt geschwiegen wird."

(tor)
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