Schulstart in NRW Was I-Dötzchen wirklich brauchen

Meinung | Düsseldorf · Durchgestylte Partys, teure Erstausstattung, hohe Erwartungen an die Kleinsten: Die Einschulung wird immer mehr zum Event. Das ist nicht nur kostspielig, sondern lastet manchmal auch schwer auf den Schultern der Kinder. Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit.

Schwer bepackt mit Tüten und Tornistern – aber auch Erwatungsdruck lastet auf den I-Dötzchen.

Schwer bepackt mit Tüten und Tornistern – aber auch Erwatungsdruck lastet auf den I-Dötzchen.

Foto: dpa/Thomas Warnack

Wenn kommende Woche knapp 180.000 Fünf- bis Siebenjährige zum ersten Mal einen Klassenraum betreten, ist das nicht nur für die Kleinen ein großer Schritt. Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel und andere Verwandte fiebern mit, wenn der Ernst des Lebens losgeht. Umso fröhlicher wird gefeiert, das war schon immer so, soll dieser Tag doch gewürdigt werden und lange in Erinnerung bleiben als Übergang von Kindergarten- zu Schulkind. Doch was früher der Kaffeetisch mit Oma, Opa und süßer Tüte war, scheint heute immer mehr zum lang durchgeplanten Event zu werden.

Personalisierte Socken und T-Shirts, riesige Ballongirlanden und Torten, die einem Konditormeisterwerk für Hochzeiten gleichen – die Auswahl an Dekorationsartikeln speziell zum Thema Einschulung ist inzwischen groß. Die Instagramisierung der Meilensteine von Kindern macht auch vor dem Thema Schule nicht Halt. Diverse „Momfluencer“, also Mütter, die mit Inhalten und Produkten von und für Kinder werben, greifen das Thema vor großem Publikum auf: Wo sind die schönsten Einladungen zu bestellen, wie dekoriere ich den Tisch, was darf auf keinen Fall fehlen bei der Party zur Einschulung? Eventmanagement für Kinderveranstaltungen ist längst eine eigene buchbare Berufsgruppe.

Dass der erste Schultag ein besonderer sein sollte, daran gibt es keine Zweifel. Die groß in Szene gesetzten Feiern dazu können aber nicht nur zusätzliche Kosten bedeuten, sie sind teilweise auch Ergebnis von sozialem Druck. Wenn die Freundin, Nachbarin oder Bekannte Zeit und Geld hat, aus dem Schulstart ein durchgestyltes Event zu machen, wollen Mütter ihren Kindern auch etwas bieten. Der Blick ins Portemonnaie dürfte aber schon bei Durchschnittsverdienern ernüchternd sein, nachdem die Liste der zu besorgenden Schulmaterialien abgearbeitet worden ist. Mit etwa 500 Euro schlägt der Schulanfang pro Kind zu Buche, allein ein neuer Schultornister ist nicht unter 200 Euro zu haben. Alleinerziehende oder Familien, die gerade so an der Verdienstgrenze sind und keine finanziellen Hilfen dafür bekommen, ächzen.

Auch für die Kleinen kann der Rummel um sie selbst zu viel werden. Und für eine falsche Wahrnehmung sorgen. Es geht auch schließlich nicht darum, wie viele Kinder zur großen Gartenparty mit möglichst viel Action kommen, sondern darum, Anschluss zu finden in der Schulklasse. Neue Freunde, die Pausen und Freizeit mit einem verbringen, ohne dass dafür etwas Materielles in Aussicht gestellt wird. Je besser das gelingt, betonen Pädagogen, desto leichter fällt auch die Umstellung vom spielerischen Kindergarten auf den strengeren Schulalltag. Eltern helfen ihren Kindern also nicht unbedingt, wenn sie den ersten Tag überhöhen und sie mit Geschenken und Erwartungen überhäufen. Die ersten Wochen sind eine Übergangsphase, eine Geduldsprobe für alle Beteiligten. Die Süßigkeiten aus der Schultüte sind nach ein paar Tagen aufgebraucht, dann kommt es auf Unbezahlbares an: zuhören, aufmuntern, loben – und zusammen durchhalten.